"Reise geht in Richtung Auffanggesellschaft"

BIRRESBORN. Noch keine Entscheidung über ihre Zukunft haben die 25 Mitarbeiter des Phönix Sprudels auf ihrer gestrigen Betriebsversammlung gefällt. Aber: Eine große Mehrheit stellte sich hinter den Vorschlag des Betriebsrats, eine Auffanggesellschaft zu gründen.

"Tja, eigentlich sind wir so schlau wie zuvor", sagte Georg Becker nach der rund zweistündigen Betriebsversammlung im Werk in Birresborn. Auf ihr sollten die Weichen für die Zukunft der 25 Mitarbeiter, die durch die Schließung des Werks vor existenziellen Problemen stehen aber immer noch keine schriftliche Kündigung in der Tasche haben, gestellt werden. Doch dazu kam es nicht, denn der Geschäftsführer des Birresborner Phönix Sprudels, Wolko Machtan, nahm - trotz Einladung - nicht teil.Dafür aber Klaus Schu von der Trierer Regionalstelle der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sowie als Sachverständiger Winfried Ott vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Mainz. Beide erläuterten den Mitarbeitern die Möglichkeiten, zumindest für die nächste Zeit der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Ihr Favorit: die Gründung einer Auffang- oder Transfergesellschaft. Schu erklärte: "In der Gesellschaft, die bis zu zwei Jahren bestehen kann und sollte, werden die Mitglieder ihren Fähigkeiten und Wünschen entsprechend fortgebildet, können beispielsweise eine zusätzliche Ausbildung draufsatteln und machen sich somit fit für den Arbeitsmarkt." Die Vermittlungschancen in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis nach dieser Phase beziffert der Gewerkschaftler auf "70 bis 80 Prozent". Finanziert wird das Gebilde - und somit die Mitglieder - mit je 40 Prozent vom Arbeitsamt und vom ehemaligen Arbeitgeber. Die Beschäftigten erhalten demnach 80 Prozent ihres ursprünglichen Lohns. Zum Vergleich: Das Arbeitslosengeld liegt im Normalfall bei 61 Prozent.Die meisten noch beim Birresborner Sprudel Beschäftigten können sich mit dieser Vorstellung anfreunden. Etwa 20 der 25 Mitarbeiter haben sich für diesen Weg ausgesprochen. Ein Beschluss wurde aber nicht gefällt.Konkretere Aussagen konnten laut Schu gestern nicht getroffen werden, da noch zu viele Unklarheiten und Probleme herrschten: Erstens liegt das von der Geschäftsführung angeforderte Datenmaterial - beispielsweise über die wirtschaftliche Situation des Betriebs - noch nicht vor. Darauf basierend wird über die finanzielle Ausstattung der Auffanggesellschaft verhandelt. Zudem muss die Geschäftsführung den von der Belegschaft bestellten Sachverständigen als Verhandlungsführer akzeptieren. Schu: "Das hat Machtan zunächst auch gemacht, sich mittlerweile aber wieder anders entschieden." Sei's drum: Für nächste Woche hat der Betriebsrat der Geschäftsführung zwei Verhandlungstermine vorgeschlagen."Hatte mir konkretere Ergebnisse erhofft"

Betriebsratsvorsitzender Gerfrid Neumann prognostizierte: "Die Reise geht in Richtung Auffanggesellschaft." Dennoch kann jeder Mitarbeiter selbst entscheiden, ob er der Gesellschaft beitreten will oder aus dem Unternehmen ausscheidet und sich auf eigene Faust einen neuen Job sucht. Mit diesem Gedanken spielen derzeit einige Mitarbeiter - zwei haben nach TV -Informationen bereits eine Zusage. Einer davon, der nicht genannt werden möchte, sagt: "Von der Versammlung hatte ich mir konkretere Ergebnisse erhofft. Sei's drum. Am morgigen Donnerstag entscheide ich mich."Der Betriebsrat wiederum ist bestrebt, möglichst viele Mitarbeiter für die Auffanggesellschaft zu überzeugen. Denn laut Schu macht die Gesellschaft "unter 20 Leuten keinen Sinn, weil man dann niemanden findet, der die umfangreiche Koordinierung übernimmt". Druck wird laut Neumann aber nicht ausgeübt. Vielmehr werde durch "gute Argumente versucht, die Kollegen zu überzeugen".Unverständnis bis Verärgerung hingegen herrscht über die Zurückhaltung der Geschäftsführung. Schu sagte: "Machtan hätte, anstatt unvermittelt zu schließen, den Betriebsrat frühzeitig über die Situation informieren müssen. In der Zwischenzeit hätten dann bereits viele Fäden gezogen, der Übergang vorbereitet werden können. So steht uns das alles noch bevor, und die Leute hängen in der Luft."Dem Umstand, dass der Geschäftsführer nicht anwesend war, gewinnt er aber auch Positives ab: "So hat sich jeder getraut, seine Meinung offen zu äußern." Einige Mitarbeiter, darunter Anton Weber aus Mürlenbach, kommentierten das Fehlen hingegen unmissverständlich: "Das war ja wohl beschissen." Ebenso charakterisiert sein Kollege Guido Schwerdorf aus Birresborn die Stimmung im Betrieb: "Wir haben zwar immer noch zu tun, und das ist gut so, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber oft sieht man den ein oder anderen Kollegen einfach so rumstehen, und man meint: Der fängt jetzt gleich an zu heulen."

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