Das erste Frauenhaus stand in der Eifel

Das am Wochenende einem Brand zum Opfer gefallene Hotel "Anna Maria" hat eine bewegte Geschichte. Am Anfang stand ein Unternehmer, dem das Wohl seiner Angestellten am Herzen lag und der das Haus 1911 als Feriendomizil für seine Angestellten in die Eifel stellte.

Daun. (A. M.) Max Grünbaum, Ehrenbürger der Stadt Daun, war nicht nur bei der Firma Tietz als Partner tätig, sondern ein enger Freund und Finanzberater des Firmeneigners Leonhard Tietz, der 1879 das erste deutsche Warenhaus eröffnet hatte. Firmenphilosophie und Ziele des Großunternehmens, das sich zwölf Jahre später in Köln niederließ, waren stets das Wohlergehen ihres Personals. Schon ausgangs des 18. Jahrhunderts schuf es für seine Angestellten einen eigenen Pensionsfonds, richtete eine Bibliothek ein, führte den Acht-UhrLadenschluss ein und sorgte für genügend Pausen- und Erholungszeiten. Berufstätige Frauen konnten sich zu Hause nicht erholen

 Ausspannen in der Eifel: Angestellte des Kaufhauses Tietz kommen im Lilesertal an. Foto: Alois Mayer

Ausspannen in der Eifel: Angestellte des Kaufhauses Tietz kommen im Lilesertal an. Foto: Alois Mayer

Dennoch litt das Personal an Erschöpfungszuständen und Krankheiten, die auf teils mangelnde häusliche Hygiene und auf die Enge der Großstadt zurückzuführen waren. Max Grünbaum musste aber auch feststellen, dass besonders die weiblichen Angestellten sich während freier Tage oder ihres Urlaubs kaum erholen konnten, da sie zu Hause oder als Familienangehörige zur Haus- oder Feldarbeit herangezogen wurden.Darum machte Grünbaum seinem Chef den Vorschlag, speziell für die Mädchen und Frauen Erholung auf dem Lande zu ermöglichen. Er schlug vor, zu diesem Zwecke hölzerne Fertighäuser zu errichten, so wie er sie bei seinen Aufenthalten in Schweden kennengelernt hatte. Daraufhin ließ Max Grünbaum 1909 in Schweden ein solches Holzhaus ab- und in Daun im Philosophenweg für sich und seine Familie aufbauen, das bis heute noch als historisches Gebäude zu bewundern ist. Als 1911 immer noch keinerlei Abnutzungserscheinungen zu erkennen waren, beauftragte die Firma Tietz den Bau eines "Erholungs- und Ferienheimes für weibliche Angestellte zu Daun". Bei der Eröffnungsfeier des Heimes am 20. Juni 1911 war viel Prominenz zugegen. Seniorchef Leonhard Tietz mit Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft, alle Dauner Kommunalpolitiker, der Landrat, der Regierungspräsident der damaligen Rheinprovinz und Generalleutnant von Lindenau aus Trier. In Reden besonders gelobt wurden die Lage des über fünf Morgen großen Grundstückes an der Lieser, die staubfreie Luft und die vielen Wiesen, die zum Wandern und Freiluftspielen einladen. Ein enorm fortschrittlicher Gedanke zur damaligen Zeit. Mit den Inhabern der Badeanstalt am Gemündener Maar wurde ein Abkommen getroffen, "wonach die Pfleglinge auch in den kristallklaren Wellen des waldumsäumten Bergsees unentgeltlich baden können." Ein Dauner Arzt hielt mehrmals in der Woche Sprechstunde, verordnete Kuren und bestimmte die Dauer des Erholungsurlaubes mit. Dieser betrug in der Regel zehn Tage. Im Sommer konnten sich bis zu 700 Personen erholen, was rund einem Fünftel der Gesamtzahl des bei der Firma beschäftigten weiblichen Personals entsprach. Leonhard Tietz starb 1914. Nun führte sein Sohn Alfred Leonhard das Geschäft weiter. Das Unternehmen wuchs und beschäftigte Anfang der 1930er Jahre etwa 15 000 Mitarbeiter an 43 Standorten. Dann kam die Nazizeit. Die Firma, die sich seit 1936 "Westdeutscher Kaufhof" nannte, hatte unter der Regierung Repressionen zu erleiden. Die jüdische Familie Tietz emigrierte. Auch Max Grünbaum, zwischenzeitlich Konsul und Gründer des Kohlensäurewerkes "Dauner Burgbrunnen GmbH" musste als Bürger jüdischen Glaubens vor dem Naziterror flüchten. Für das Dauner Erholungsheim bedeutete es das vorläufige Aus. Es wurde verkauft an die "Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime" in Wiesbaden, um kaufmännischen Angestellten einen preisgünstigen Erholungsurlaub zu ermöglichen. Nun hies es "Kaufmanns-Erholungsheim". Während des Krieges diente es als Lazarett; von 1947 bis 1948 als Ausbildungsstätte für Volksschullehrer. Danach wurde es erneut durch die Wiesbadener Erholungsgesellschaft genutzt, von der dann 1972 die Stadt Daun die Gesamtanlage erwarb, um sie noch im gleichen Jahr zu verkaufen. Die Häuser wurden dann zum "Parkhotel Liesertal" umgebaut. Bis heute wechselte das ehemalige "Erholungsheim" noch mehrmals Besitzer und Pächter, bis es ab 1993 unter dem Namen "Anna Maria" geleitet wurde. Und bis zum vergangenen Wochendende kündeten die Gebäude in ihrem nordischen Blockhausstil von den hehren und sozialen Ideen des Kaufmanns Tietz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort