Die Devise lautet: Sturmfest machen

Investitionsstopp, Entlassungen, Umstrukturierung auf allen Ebenen sowie eine Rückbesinnung auf die Marke und das Kernprodukt: Axel Dahm (46), neuer Geschäftsführer des Gerolsteiner Brunnens, krempelt das durch die Absatzkrise gebeutelte Unternehmen komplett um.

 Familienmensch und Führungspersönlichkeit: Axel Dahm (46), neuer Geschäftsführer des Gerolsteiner Brunnens, vor Portraits seiner Kinder in seinem Büro. Der neue starke Mann beim Brunnen hat die Umstrukturierung des Unternehmens, die auch zu Entlassungen führen wird, bereits eingeleitet. TV-Foto: Mario Hübner

Familienmensch und Führungspersönlichkeit: Axel Dahm (46), neuer Geschäftsführer des Gerolsteiner Brunnens, vor Portraits seiner Kinder in seinem Büro. Der neue starke Mann beim Brunnen hat die Umstrukturierung des Unternehmens, die auch zu Entlassungen führen wird, bereits eingeleitet. TV-Foto: Mario Hübner

Gerolstein. (mh) Erst 100 Tage im Amt, doch schon deutliche Spuren hinterlassen: Im TV-Interview mit unserem Redakteur Mario Hübner äußert sich Axel Dahm, der neue starke Mann beim Gerolsteiner Brunnen, zur aktuellen Lage und zur Zukunft des Unternehmens.

Nach hundert Tagen an der Spitze: Wie schätzen Sie die Lage des Gerolsteiner Brunnens ein?

Dahm: Ich sehe drei Seiten: Der Gerolsteiner Brunnen ist ein tolles Unternehmen mit hervorragenden Mitarbeitern, die sich stark identifizieren. Zudem haben wir tolle Produkte und eine sehr starke Marke - eben Deutschlands bekanntestes Mineralwasser, das zudem über eine große Tradition verfügt. Das ist die positive Seite. Daneben gibt es das gesamtwirtschaftliche Umfeld und auch ein paar hausgemachte Fehler. Und deswegen ist Gerolsteiner zurzeit in einer nicht gerade fantastischen Position im Markt.

Der gravierendste Fehler?

Dahm: Wir sind derzeit für starkes Wachstum aufgestellt. Diese Ausrichtung war aus der damaligen Sicht vielleicht richtig und nachvollziehbar, heute sind wir aber alle schlauer. Das angepeilte Wachstum ist nicht gekommen: vor allem in diesem Jahr, vor allem im Bereich der alkoholfreien Erfrischungsgetränke außerhalb des Sprudels und vor allem im Einweg-Bereich.

Und deswegen haben Sie die Investitionsplanungen in Höhe von 62 Millionen Euro gestoppt?

Dahm: Genau. Denn Überlegungen wie die massive Kapazitätsausweitung und das Hochregallager waren ja ganz klar auf ein starkes Wachstum bei den alkoholfreien Erfrischungsgetränken und beim Einweg ausgelegt.

Hat das Unternehmen auch jetzt noch zu viel Abfüllkapazitäten und Personal?

Dahm: Ja. Da werden wir der Realität ins Auge schauen und das dann auch relativ schnell korrigieren müssen. Wir gehen heute davon aus, dass da auch Arbeitsplätze verloren gehen. Aber wie viele, dass wissen wir noch nicht. Wir befinden uns derzeit in einem sehr aufwendigen Strategie-Findungsprozess. Wir fragen uns: Was war richtig, was falsch, wie stellen wir das Unternehmen optimal auf die Zukunft ein? Da sind wird dran, und ich gehe davon aus, dass wir bis Anfang Februar Antworten haben.

Gab es bereits Entlassungen?

Dahm: Wir lassen zum Jahresende unsere Zeitarbeitsverträge auslaufen. Von den 780 Mitarbeitern sind dann noch rund 755 an Bord.

Werden auch im Management-Bereich Stellen gestrichen?

Dahm: Wenn wir das Unternehmen umbauen, dann auf allen Ebenen. Es ist aber so, dass wir relativ schlank sind - auch auf der Management-Ebene. Aber eben ausgelegt auf starkes Wachstum.

Wird sich der Gerolsteiner Brunnen weiterhin drei Geschäftsführer leisten?

Dahm: Die Gesellschafter wünschen sich einen starken Geschäftsführer, der letztlich für alle Belange des Unternehmens die Verantwortung übernimmt. Das kommt schon allein in der Tatsache zum Ausdruck, dass ich nicht Sprecher, sondern Vorsitzender der Geschäftsführung bin. Aber wie letztlich auch die Führungsmannschaft aufgestellt wird, hängt vom Ergebnis unserer Überprüfung ab.

Sie haben auch Unternehmensberater der Boston Consulting Group ins Haus geholt. Vertrauen Sie Ihren Leuten nicht?

Dahm: Die Mannschaft war in den vergangenen zwei Jahren mit einer Menge Enthusiasmus auf einem bestimmten Weg. Jetzt stellen wir fest, dass dies nicht der richtige Weg war. Daher gilt es nun, alles dafür zu tun, eine neue Strategie zu erarbeiten, die möglichst lange hält und sich am Markt bewährt. Und da macht es Sinn, sich erstens die notwendige Zeit dafür zu nehmen, und zweitens mit den besten verfügbaren Kräften daran zu arbeiten - internen wie externen. Externe Profis haben den Vorteil, dass sie zum einen unsere eigene Arbeit kritisch hinterfragen, zum anderen aber auch - in Kenntnis der weltweiten Märkte - eigene Ideen einbringen. Ich denke, dass dadurch unsere Strategie besser wird. Es wäre fatal, alle zwei Jahre die Richtung zu wechseln - und das auch noch mit einer stets neuen Führungsmannschaft. Dafür bin ich hier nicht angetreten, und dafür stehe ich auch nicht.

Wann sollen die Ergebnisse vorliegen?

Dahm: In Phase I wollen wir unsere neue Strategie entwerfen. Das soll bis Februar erledigt sein. In Phase II sehen wir uns Struktur und Kosten an und hinterfragen, was wir benötigen, um unsere neu formulierten Ziele zu erreichen. Das soll bis Mai vollzogen sein. Und angesichts der scharfen Rezession, vor der oder in der wir uns bereits befinden, wollen wir uns zwar genügend, aber auch nicht zu viel Zeit lassen, um uns sturmfest zu machen. 2009 wird für viele Unternehmen, auch für uns, ein schwieriges Jahr werden.

In Zahlen ausgedrückt: Welchen Umsatz und Absatz peilen Sie für 2009 an?

Dahm: Da werde ich mich jetzt nicht festlegen. Wir werden aber realistisch an die Sache herangehen und mit Sicherheit nicht von einem stürmischen Wachstum ausgehen. Was ich Ihnen sagen kann, ist: Wir werden 2008 im Vergleich zum Vorjahr etwa fünf Prozent verlieren, beim Umsatz werden es 3,5 Prozent sein. Und die Lage sieht so aus, dass die Discounter weiter wachsen. Und das wird sich durch die Rezession nicht abschwächen, sondern eher noch verstärken. Denn wenn es den Menschen schlechter geht oder sie zumindest größere Sorgen haben, dann wird bei Lebensmitteln gespart.

Sie gehen also von einer sich verschärfenden Konkurrenzsituation aus?

Dahm: Ja.

Wie wollen Sie dieser begegnen?

Dahm: Natürlich haben wir uns dazu auch schon einige Gedanken gemacht, und ich würde mich wundern, wenn sich die nicht in unserer künftigen Strategie wiederfinden würden. Da ist vor allem die Qualität unseres Produktes. Wir haben ein fantastisches Produkt, doch nur sehr wenige Menschen, die Wasser kaufen, wissen darüber Bescheid. Das werden wir ändern. Und deshalb haben wir schon jetzt unsere Kampagne überprüft, neu ausgeschrieben und uns vor wenigen Tagen für eine neue Agentur entschieden.

Wie wird die neue Kampagne aussehen?

Dahm: Wir wollen und werden den Menschen deutlicher machen, worin die besondere Güte unseres Mineralwassers liegt. Es geht um die Frage: Was macht das Gerolsteiner Mineralwasser so besonders gut, warum hat es eine so ausgewogene Mineralisation und was bedeutet das? Das ist den Menschen hier zwar weitgehend bekannt, aber in München oder Berlin eben nicht.

Also eine Art Aufklärung zur Volksgesundheit?

Dahm: Es wird Kommunikation werden, die erklärt, weshalb das Wasser gut ist. Es wird aber mit Sicherheit keine dröge Erziehungskampagne.

Wann wird man sie erstmals zu sehen, zu hören und zu lesen bekommen?

Dahm: Spätestens im Mai 2009.

Was macht der Gerolsteiner Brunnen mit den annähernd zehn Millionen Euro, die jährlich ins Radteam gesteckt wurden?

Dahm: Es war deutlich weniger. Ich werde aber nicht sagen, wie viel wir für Sponsoring ausgeben. Wir werden das Geld dort einsetzen, wo wir investieren müssen. Ein großer Bereich davon ist die Kommunikation.

Also keine neue Werbeplattform wie das Radsportteam?

Dahm: Das kann ich mir derzeit nicht vorstellen, denn ich bin ein großer Fan der Marke und des Produkts Gerolsteiner. Ich möchte mich nicht - zumindest so massiv - noch mal einem anderen Thema widmen, das dann womöglich auch noch davon ablenkt, wie gut unser Wasser ist.

Wo wird der Gerolsteiner Brunnen in zehn Jahren stehen?

Dahm: Ich hoffe, dass schon viel früher die Leute auf die Frage nach dem besten Wasser Deutschlands spontan sagen: Gerolsteiner! Das Unternehmen soll kerngesund und profitabel sein, wachsen und investieren können. Und nachdem wir in Deutschland unsere Hausaufgaben gemacht haben, wollen wir im Ausland zulegen. Unsere Entwicklung in Japan, wo wir zweistellig wachsen, wenn auch auf kleinem Niveau, stimmt mich da hoffnungsfroh. Und in der Region wollen wir die Bedeutung wie eh und je beibehalten.

Welchen ersten Eindruck haben Sie vom Gerolsteiner Land oder allgemein der Eifel gewonnen?

Dahm: Dass die Eifel wunderschön ist, brauche ich ja wohl niemandem zu sagen. Zudem bin ich von den Eifelern sehr gut angenommen worden. Ich komme mit den Eifelern sehr gut zurecht, ich hoffe, dass das auch umgekehrt der Fall ist.

zur person

Axel Dahm (46, TV-Foto: Mario Hübner) ist seit September 2008 neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Gerolsteiner Brunnen GmbH. Der fünffache, in zweiter Ehe verheiratete Vater, der mit seiner Familie in Bonn lebt, war zuvor Geschäftsführer der Berentzen-Guppe (Berentzen Apfelkorn, Wodka Puschkin, Doornkaat). (mh)

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