Die Eifel und andere Enden der Welt

"Ich bin redselig, und Sie werden es ausbaden müssen": Mit einem 90-minütigen pausenlosen Erzählprogramm hat der Hamburger Literaturwissenschaftler, Moderator und Publizist Roger Willemsen in der ausverkauften Loft-Lounge des Lokschuppens mit der Vorstellung seines neuen Buchs "Die Enden der Welt" das Publikum begeistert.

 „Ich suche im Fremden immer das Vertraute“: Autor Roger Willemsen in Gerolstein. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

„Ich suche im Fremden immer das Vertraute“: Autor Roger Willemsen in Gerolstein. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Gerolstein. (bb) Nur der äußere Schein deutet auf die ins Gerede gekommene "Wasserglaslesung" hin. Der Autor betritt die Bühne, nimmt an dem mit Kerzen, Glas und Flasche Mineralwasser vorbereiteten Tisch Platz, legt ein in blaues Papier eingeschlagenes Buch ab.

Doch weder wird er einen Blick in das Buch werfen noch ein Wort vorlesen (und keinen Schluck Wasser trinken). Warnt: "Ich weiß nicht, ob Sie Ihre Felsspalten heute noch erreichen." Und beginnt umgehend zu erzählen - von den Motiven für seine Reise zu den Enden der Welt, von Landschaften und von Begegnungen an einigen der insgesamt 22 Stationen. Erstes Kapitel seines Buchs: die Eifel.

Beenden wird er seine virtuos erzählte Fahrt mit dem Hinweis auf das letzte Kapitel ("Das kann man nur selbst lesen") und seine Erinnerung an sein Empfinden am eisbedeckten Nordpunkt der Erdachse: "Ich bin ein glücklicher Mensch."

Auch Krankheit und Tod spart der Autor nicht aus



Er sei als Reisender, nicht als Tourist unterwegs gewesen, betont der 55-jährige promovierte Literaturwissenschaftler, der in Bonn geboren ist. Der Reisende möchte übersehen werden, erklärt Willemsen. Und: "Ich suche im Fremden immer das Vertraute", sagt er.

Ins Schwärmen gerät der Autor über glanzlose Landschaften und Szenen, über Menschen, die völlig für sich leben und bei sich bleiben. Auch wenn eine Lebensreise abbreche, gehe die Welt zu Ende. So spart er Krankheit und Tod nicht aus, erzählt davon im ersten Kapitel, als ihm ein tumorkranker Junge im Krankenhaus sagt: "Mir ist langweilig." Bei Schilderungen wie diesen ist es ganz still im Saal. Wer sich Tränen wegwischt, hat sie sich zuvor bei einem Lachanfall geholt.

"Es war unglaublich unterhaltsam", lautet das Fazit, das Andrea Schmid (45) aus dem saarländischen Lebach zieht. Ihr Begleiter Wolfgang Hack (54) sagt: "Ich schätze an Roger Willemsen seine Intelligenz und seine Rhetorik. Ihn heute Abend live zu erleben, hat alle Fernsehsendungen mit ihm übertroffen, die ich bisher gesehen habe."

Als "lebhaft und mitreißend" beschreiben Jörg und Beate Weinberg (beide 42) aus Darscheid den Erzähler Roger Willemsen. Seine Gabe, Gedanken und Erlebnisse so intensiv in Worte zu fassen, fasziniere und überrasche sie gleichermaßen. Und Lokschuppen-Betreiber Jörg Petry? "Rein gar nichts zu mäkeln", sagt er. "Wir hatten Nachfragen nach mindestens 100 weiteren Eintrittskarten."

Das Buch von Willemsen heißt "Die Enden der Welt" und ist beim S.-Fischer-Verlag erschienen: 542 Seiten, gebunden, 22,95 Euro.

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