Drahtfabrik in Gerolstein kommt weg

Gerolstein · Der Bauausschuss beschließt den Komplettabriss der Industriebrache in Gerolstein. Doch einige Fragen bleiben noch unbeantwortet.

 Die Drahtfabrik in Gerolstein soll komplett abgerissen werden, inklusive des Verwaltungsgebäudes mit dem Firmenschild. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

Die Drahtfabrik in Gerolstein soll komplett abgerissen werden, inklusive des Verwaltungsgebäudes mit dem Firmenschild. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

Foto: (e_gero )

Gerolstein Mit neun zu zwei Stimmen hat sich der Bauausschuss der Stadt Gerolstein für einen Komplettabriss der Industriebrache Drahtwarenfabrik Oos ausgesprochen. Lediglich Heinz Weber (FWG) und Tim Steen (Grüne) waren dafür, zunächst einen Architektenwettbewerb auszuloben, um dann zu sehen, ob zumindest das Verwaltungsgebäude erhalten und saniert werden könnte. Steen begründet: "Die Drahtwarenfabrik hat eine große historische Bedeutung für Gerolstein. Wir sind dagegen, Tabula rasa zu machen und damit Fakten zu schaffen. Erst einmal sollten wir einen Ideenwettbewerb veranstalten und die Ergebnisse abwarten." Wenn dabei herauskomme, dass auch das Verwaltungsgebäude weg solle, dann sei das eben so und zu akzeptieren. Weber fügte hinzu: "Ich finde einen Ideenwettbewerb gut und richtig. Bevor wir uns über einen Abriss und eventuelle Sanierungskosten reden, sollten wir erst einmal darüber im Klaren sein, was wir später dort haben wollen."
Mit dieser Meinung standen sie jedoch alleine da. Die Ausschussmehrheit von CDU und SPD sowie Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU) war für einen Komplettabriss, um den Weg für eine Neubebauung freizumachen und mögliche Investoren nicht abzuschrecken.
CDU-Fraktionschef Helmut Hauth sagte: "Historie ist zwar gut und schön, aber was ist, wenn wir dann auf dem Gebäude sitzen bleiben? Ich schrecke davor zurück, auch nur etwas von der alten Bausubstanz zu erhalten."
Und Stadtbürgermeister Bongartz meinte: "Ich kann zwar verstehen, wenn der ein oder andere an der alten Bausubstanz hängt, aber die Sanierungskosten stehen nicht in Relationen zu einem möglichen Ertrag. Außerdem stellt so ein altes Gebäude eine hohe Hürde für jeden Investor da."
Genaue Zahlen nannte er nicht. Dem TV sagte er: "Ich habe drei potente Investoren an der Hand, die sofort zusagen würden, das Gelände zu kaufen - aber eben nur ohne Gebäude darauf. Jeder will eine ebene Fläche haben."
Um wen es sich dabei handelt, verriet Bongartz nicht. Die Art der künftigen Nutzung, wie sie sich die Stadt vorstellt, umriss er aber erneut: "Wohnen und betreutes Wohnen sowie kleineres Gewerbe wie ein Laden und Gastronomie." Schließlich liege das Areal inmitten von Wohngebieten und relativ nah zur Innenstadt. Da sei eine gewerbliche oder gar industrielle Nutzung nicht angebracht, so Bongartz.
Noch unklar ist derweil, wann der Abriss vonstattengehen soll so wie wann und in welchem Umfang der Boden saniert wird. Denn laut mehreren Gutachten ist er durch die industrielle Nutzung in Teilen kontaminiert. Erste Antworten auf die vielen Fragen soll ein weiteres Treffen mit Vertretern der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord am 4. September bringen. Dann soll auch weiter über die Renaturierung des Peschenbachs gesprochen werden, der durch das Areal und teilweise unter den Gebäuden hindurchfließt. Das Öko-Projekt hat die Stadt Gerolstein bereits beim Ministerium angemeldet.KommentarMeinung

Weg für Neues ebnen und Erinnerung wachhalten
Die erste Fabrik in Gerolstein war nicht - wie zu vermuten gewesen wäre - eine Sprudelfirma, sondern die Drahtwarenfabrik Christian Oos. Daher sollte auch die Erinnerung wachgehalten werden. Das kann durch eine Tafel, eine Skulptur oder ein Kunstwerk geschehen. Auf Biegen und Brechen ein Gebäudeteil zu erhalten, ist angesichts der maroden Bausubstanz nicht der richtige Weg. Daher hat der Bauausschuss gut daran getan, für einen Komplettabriss zu stimmen. Denn damit stehen die Chancen ungleich größer, einen Investor zu finden, der dem Areal nach den Wünschen der Stadt neues Leben einhaucht. Die Idee, dort, wo ringsherum eh ein Wohngebiet ist, Platz für kleine und betreute Wohneinheiten zu schaffen, ist nicht schlecht. m.huebner@volksfreund.deExtra: GESCHICHTE DER DRAHTWARENFABRIK

 Das Drahtfabrik-Areal am Auberg mit seinen maroden Gebäuden liegt inmitten eines Wohngebiets.

Das Drahtfabrik-Areal am Auberg mit seinen maroden Gebäuden liegt inmitten eines Wohngebiets.

Foto: (e_gero )


Die Drahtwarenfabrik wurde 1882 von Christian Oos gegründet und war die erste Fabrik in Gerolstein. Die meisten Gebäude stammen aus den Jahren 1900 bis 1920. Im Unternehmen waren bis zu 150 Menschen beschäftigt; hinzu kamen Dutzende Heimarbeiter in Gerolstein und den umliegenden Dörfern. Im Winter 1944/45 wurde ein Teil des Areals als Durchgangslager für amerikanischen Soldaten genutzt. Eckart Koschel schloss die Fabrik 1997. Im Sommer 2009 kaufte die Stadt Gerolstein die Industriebrache für 45 000 Euro, in der zeitweise Zehntausende Altreifen und Unmengen von Elektroschrott gelagert waren. Die Drahtwarenfabrik wurde 2011 aus dem Handelsregister gelöscht. (bb)

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