Kind Nr. 95

Gut besucht war die Veranstaltung im Haus der Jugend in Gerolstein, in der das einstige Flüchtlingskind "Nr. 95", Lucia Engombe, von ihrem Schicksal berichtete. Die Veranstaltung wurde vom "Forum Eine Welt" organisiert und von "Amnesty International" und "FIN - Frauen in Not" unterstützt.

 Schreiben als Medizin: Lucia Engombe liest in Gerolstein aus ihrem Buch, dass von ihren Erlebnissen in der DDR und in Namibia handelt. Foto:privat

Schreiben als Medizin: Lucia Engombe liest in Gerolstein aus ihrem Buch, dass von ihren Erlebnissen in der DDR und in Namibia handelt. Foto:privat

Gerolstein. (red) Im Dezember 1979 wurde Lucia Engombe mit anderen namibischen Kindern aus dem Flüchtlingslager in Sambia in die DDR ausgeflogen. Nach der Wende wurden sie wieder in ihre Heimat zurückgeflogen. "Kind Nr. 95" war ihr Kennzeichen beim Rückflug in ein Land, dessen Kultur und Sprache ihr fremd geworden waren.Ihre Erlebnisse in Deutschland und die mühsame Suche nach ihrer Familie in Namibia beschreibt sie in ihrem Buch, das sie zur Zeit auf ihrer Lesereise in Deutschland vorstellt.Spielball politischer Aktionen

Zunächst lieferte Joachim Hennig, Richter in Koblenz, Hintergrundinformationen zur Geschichte Namibias. Unter dem Namen "Südwestafrika" war Namibia von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie, wurde im 1. Weltkrieg von Südafrika besetzt und blieb bis 1945 unter südafrikanischer Verwaltung. 1960 gründeten Widerständler die marxistische Swapo, die einen bewaffneten Freiheitskampf gegen die Protektoratsmacht begann. Unzählige Namibier flohen nach Sambia oder Angola. Das Angebot der DDR zu einem Aufenthalt in Deutschland nahmen die Kinder an in der Hoffnung, nicht mehr hungern zu müssen. Dass sie dort über viele Jahre einsam in einem Heim leben und im Auftrag der Swapo zur "neuen Elite" eines zukünftigen unabhängigen Namibia erzogen werden sollten, ahnte niemand. Völlig isoliert wuchsen sie in einem Kinderheim auf. Bedingungsloser Gehorsam und eiserne Disziplin verlangte man von den Kindern sowohl bei den Schießübungen wie auch im Unterricht. Etwa 400 Kinder durchliefen diese "Ausbildung" bis zum Mauerfall.Zurück in Namibia kann Lucia Dank einer Stiftung eine deutsche Schule besuchen und das Abitur machen. Anschließend studiert sie Journalismus."Das Buch zu schreiben war für mich die beste Medizin, damit ich mich von dieser Last befreien kann", sagt Lucia. Sie will verdeutlichen, was es bedeutet, wenn man nicht als Mensch wahrgenommen wird, sondern nur ein Spielball politischer Aktionen ist.

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