Kunst auf vier und mehr Rädern

Trier · Wenn der Besucher nicht zur Kunst kommt, kommt die Kunst zum Besucher. Das ist die Idee hinter der mobilen Ausstellung "Spurwechsel - Kunstbewegte Momente", die in Gelenkbussen der Stadtwerke Trier (SWT) zu sehen ist. Hinter der Fahrerkabine sind statt Werbeplakate echte Kunstwerke aufgehängt.

Trier. Auf ihrem Schoß liegen Einkaufstüten, in ihren Ohren stecken Kopfhörer. Die 22-jährige Lena blickt aus dem Fenster des Busses, draußen ziehen die Häuser der Saarstraße vorbei. Sie sitzt auf dem Platz hinter der Fahrerkabine. Dass gleich vor ihrer Nase ein Kunstwerk hängt, bemerkt sie erst, als man sie darauf anspricht. "Verrückt, dass mir das nicht aufgefallen ist", lacht sie und tastet mit ihren Fingern das Profil des Passepartouts hinter der Schutzfolie nach. "Irgendwie hatte ich einen blinden Fleck, was diese Stelle angeht, weil ich automatisch Werbung erwarte", beschreibt die Fachhochschulstudentin ihre Wahrnehmung. Als sie aussteigt, hält sie inne und fragt, wie lange die Ausstellung noch zu sehen sein wird. "Dann werde ich von jetzt an genauer hinsehen, wenn ich Bus fahre. Eine Gratis-Ausstellung gibt es schließlich auch nicht alle Tage."
Namen der Künstler fehlen


Ein Vorsatz, dem Rudi Merten schon seit mehreren Wochen nachkommt. Er ist im Bus unterwegs zum Trierer Wochenmarkt. "Ich nutze die Linienbusse täglich und muss zugeben: Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich das Prinzip verstanden hatte", erklärt der Rentner. Mittlerweile sei er allerdings schon beim Einsteigen gespannt, ob er ein neues Werk erwischt habe. Besondere Freude hat er an den Radierungen aus der graphischen Sammlung der Universität. Dass das älteste Exponat, Karel Dujardins Radierung "Ruinen eines alten Tempels mit Zeichnern", aus dem Jahr 1658 stammt, verblüfft ihn: "Toll, dass man den Mut hat, ein so kostbares Werk in die Öffentlichkeit zu tragen" , sagt er. Doch auch den modernen Werken, gestiftet von Dozenten der Europäischen Kunstakademie, gibt er eine Chance. "Mit manchen kann ich mehr, mit anderen weniger anfangen", erklärt er, und fügt schmunzelnd hinzu: "Mit den allermeisten gar nichts". Er zeigt auf Harald Mantes Fotoarbeit "Auf dem Weg": "Aber vielleicht fehlt mir hier im Bus auch einfach die Ruhe, mich richtig darauf einzulassen", räumt er ein.
Eine ältere Dame vom Nebenplatz schaltet sich ein, auch ihr sind die Kunstwerke in den letzten Wochen bereits aufgefallen: "Eine gute Idee", findet sie, "aber es wäre doch schön, wenn man auch den Namen des Künstlers und den Titel des Werks angebracht hätte". Die Anonymität der Werke stört Rudi Merten weniger, schließlich sei es nicht der Name, der ein Werk interessant mache. Einen Verbesserungsvorschlag hat er aber trotzdem: "Es sollte solche Aktionen ruhig öfter geben - und nicht nur, weil ausnahmsweise Wallfahrt ist."
Noch bis 20. Mai fahren dreißig SWT-Linienbusse Kunstwerke durch Trier. Seinen Abschluss findet das Projekt am gleichen Tag (ab 12 Uhr) auf dem Gelände der Europäischen Kunstakademie: Dort werden alle Werke im historischen Henschel-Bus präsentiert. Der Katalog zur Ausstellung ist zum Preis von acht Euro unter anderem im Wallfahrtsladen, bei der Dom-Information und bei den Buchhandlungen Interbook und Stephanus erhältlich.

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