"Beispiele müssen uns verführen"

HERMESKEIL. Am Ende der von TV -Redakteur Dieter Lintz moderierten Podiumsdiskussion im Rathaus Hermeskeil waren sich die Redner und vierzig Gäste weitestgehend einig: Baukultur fängt in den Köpfen der Menschen an. Positive Beispiele können dazu verführen auch musterhaft zu bauen. Bereits in den Schulen sollte der Grundstein für ein neues "Wohnbewusstsein" gelegt werden

"Der Architekt soll sechs Monde bei seinem Bauherrn wohnen, bevor er für ihn zu planen beginnt", zitierte Marcus Rommel - eines der vier Mitglieder des Architektenbeirats, die im Podium saßen - ein chinesisches Sprichwort. Eine idealistische Vorstellung, die dennoch laut Rommel den Nagel auf den Kopf trifft: "Bauherr und Planer brauchen Zeit füreinander, damit die Bedürfnisse des Bauherrn mit in die Planung einfließen können."Experten beklagen Manko an Wohnkultur

Podiumsmitglied Francois Valentini forderte, dass der Mensch beim Bauen generell mehr in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Er beobachtet ein Manko an Wohnkultur und dass häufig die Poesie beim Bauen fehlt. Da der Bürger von heute nicht mehr nur Moselaner sei, müsse ein Formenkanon gefunden werden. "Der Tankwart, der Journalist oder der Bänker haben andere Bedürfnisse als einst der Landwirt", so Valentini. Die Reinsfelder Architektin Christina Spies, ebenfalls eine der Expertinnen im Podium, nutzte den Abend als Gelegenheit, um die zahlreich vorhandenen kommunalen Entscheidungsträger zum Nachdenken anzuregen: "Schon bei der Suche nach einem geeigneten Baugrundstück beginnt der Kampf durch den Dschungel der Verwaltung. Bereits die Durchsicht des Bebauungsplans stellt eine Hürde dar, die ohne fachliche Hilfe nicht zu nehmen ist." Spies plädierte deshalb für eine Lichtung des Verwaltungsdschungels. Kritik erntete die Vorgehensweise einiger Kommunen bei der Erschließung von Neubaugebieten. "Ohne Gespür für Besonderheiten, wie zum Beispiel bioklimatische Rahmenbedingungen, wird häufig Bauland erschlossen", so Hans-Jürgen Stein, Sprecher des Architektenbeirats. "Auf die Idee, Neubauten am sonnenarmen Nordhang zu bauen, wären unsere Vorfahren, die noch ein Empfinden für ihre Bedürfnisse hatten, nie gekommen", bemängelte Stein das Vorgehen so mancher Ortsgemeinde. Auch das zu erwartende Problem, der "Entleerung" der Dorfkerne, wurde im Hermeskeiler Rathaus angesprochen. "Die öffentliche Hand muss ein ordentliches Finanzierungskonzept auf die Beine stellen, das Anreize schafft für den Erwerb der Häuser in den Dörfern", sagte ein Bürger zu diesem Thema. Damit vorbildlich gebaut wird, so dass regional typische Elemente erhalten bleiben und sowohl die eigenen als auch die Bedürfnisse der Allgemeinheit im Auge behalten werden, wurden Rufe nach Gesetzen laut. Außerdem beanstandeten einige Diskussionsteilnehmer, dass sowohl Kommunalpolitiker als auch einige Architekten und Handwerker teilweise mit vorbildlichem Bauen überfordert seien. Damit musterhafte Gebäude zukünftig Schule machen und ein neues Bewusstsein für Wohnen geschaffen werden kann, sahen einige Podiumsredner die Notwendigkeit, dass bereits Schüler an das vielfältige Thema herangeführt werden müssen. Ein Prozess in Richtung vorbildliche Bau-Kultur kann laut Stein auch in Gang gesetzt werden durch "Beispiele, die uns verführen.""Gut bauen hat mit Geld nicht viel zu tun"

"Führen wir hier nicht eine Diskussion auf Luxusniveau?", warf Moderator Dieter Lintz, Leitender Redakteur des TV , provozierend in die Runde. Denn schließlich repräsentieren die Bauherren, der in der Ausstellung im Rathaus zu bestaunenden nominierten Objekte für vorbildliches Bauen, nicht den Schnitt der Bevölkerung. "Gut bauen hat mit Geld nicht viel zu tun", versicherte Stein. "Auch wer Angst hat, dass das Geld nicht reicht, kann gut geplant, gut, schön und dauerhaft bauen." Damit, wie die Hinzert-Pölerter Ortsbürgermeisterin Mathilde Müller sagte, nicht wie oftmals üblich, über jedem Haus am Ende ein "Hätte ich" hängen muss, sei die gute Planung für den Geldbeutel, die Umwelt und letztendlich das Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung.

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