Mit Wet-Gel und Feinstrumpfhosen

ZÜSCH. Ein wenig bleich und müde stehen die Kinder mit ihren großen Schultüten auf der Eingangstreppe der Züscher Grundschule. Der Einschulungs-Gottesdienst ist vorbei - die erste Stunde steht unmittelbar bevor.

Der Start wird den Schulneulingen in Züsch leicht gemacht, und so verfliegt die erste Nervosität schnell. Mit fröhlichen Liedern und dem hilfreichen Vorbild ihrer älteren Mitschüler lässt es sich schon leichter die ausgetretene Treppe hinauf in das Klassenzimmer stürmen. "Ein Glück, dass es noch solche Dorfschulen gibt", murmelt eine Mutter. Dort verteilt Lehrerin Edith Schnur-Müller die Stundenpläne an die Eltern, dann heißt es Abschied nehmen. Verdächtig feucht schimmert es in so manchen elterlichen Augenwinkeln. Doch die Kinder sehen die Sache recht locker. Man kennt sich schon vom Kindergarten, selbst die Lehrerin ist allen bekannt. Erste Stunde beginnt mit Vorstellungsrunde

Edith Schnur-Müller beginnt zum Aufwärmen mit einer kleinen Vorstellungsrunde und nennt ihre Lieblingshobbys. Lesen, schwimmen, verreisen. Alle 13 nennen mehr oder weniger deutlich ihre Namen. Noch sind die Kinder nicht so recht aufgetaut, was sich aber schlagartig mit dem nächsten Programmpunkt ändert: Die Schultüten dürfen ausgepackt werden. "Nicht mehr als zwei Sachen", schränkt Schnur-Müller ein, es soll kein Neid zwischen den Kindern entstehen. Nicht jeder hält sich an die Anweisung. Bald türmen sich Spielzeug aller Art, Süßigkeiten und praktische Utensilien für den Schulalltag auf den Tischen. Glibberschleim tritt ebenso zu Tage wie ein Taschenschirm ("So was brauch' ich") - die Fantasie der schenkenden Eltern ist offenbar grenzenlos. Ein wenig abseits von dem Trubel steht Jan-Niklas, der mit tiefglückseligem Gesicht an seiner Schultüte nestelt. Nur einen kurzen Blick hat er in die randvolle Tüte geworfen, richtig auspacken will er sie erst zu Hause - ein Genießer unter den Züscher ABC-Schützen. Die zeigen übrigens deutliche Spuren elterlicher Festtagsstimmung. Haarspangen in kunstvollen Frisuren, Schmuck und Feinstrumpfhosen bei einigen kleidchentragenden jungen Damen, manche männliche Pendants bringen es immerhin auf kurze Hemden und Wet-Gel im Haar. Abmalen und Aufzeigen schnell kapiert

Funkelnagelneue Ranzen im Piraten- oder Herzchendesign runden das schicke Bild ab, für die Mama und Papa nebst Zubehör mehr als 100 Euro hingeblättert haben dürften. Einfache Abmalübungen der Kinder stehen an, und geduldig hilft Schnur-Müller bei verkrampfen Fingern und bangen Fragen. Auch das A und O im Unterricht, das Aufzeigen, haben etliche Kinder schon verinnerlicht. Jennifer, Marvin, Alina und Magdalena haben genau wie ihre Klassenkameraden bald jede Scheu vor den noch unbekannten schulischen Aktivitäten verloren. Nach einem Fingerspiel beginnt die erste Schulpause im Leben der Züscher Erstklässler. Eine Klingel gibt es nicht, man kommt auch so zu Rande. Fröhlich toben und lärmen die Kinder über den Schulhof. Für die 13 Erstklässler hat der Ernst des Lebens in der Züscher Grundschule am Montag alles andere als ernst begonnen.

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