"Teil eines großen Gefahrenraums"

"Die Union will keinen Polizeistaat und keinen Abbau von Bürgerrechten. Aber wir müssen die Sicherheitslücken schließen." Das ist die Kernaussage von Wolfgang Bosbach, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag. Er referierte in Kell am See über "Deutschland in Zeiten der Terrorismusabwehr".

 „Keiner soll glauben, dass wir, nur weil es bei uns noch keinen Anschlag gab, auf der sicheren Seite sind.“ Das betonte Wolfgang Bosbach, der Vize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei seinem Vortrag über „Deutschland in Zeiten der Terrorismusabwehr in Kell am See“. TV-Foto: Axel Munsteiner

„Keiner soll glauben, dass wir, nur weil es bei uns noch keinen Anschlag gab, auf der sicheren Seite sind.“ Das betonte Wolfgang Bosbach, der Vize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bei seinem Vortrag über „Deutschland in Zeiten der Terrorismusabwehr in Kell am See“. TV-Foto: Axel Munsteiner

Kell am See. (ax) Kein anderes Thema steht derzeit in Berlin mehr im Fokus als die "Innere Sicherheit". Mit ihren umstrittenen Vorschlägen zur Bekämpfung des Terrorismus haben Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und Innenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) zuletzt heftige Diskussionen ausgelöst, die das Klima in der schwarz-roten Koalition deutlich verschlechtert haben.Auf Einladung des Landesverbands der Jungen Union bezog jetzt Wolfgang Bosbach, der Innen- und Rechtsexperte der Bundes-CDU, in Kell am See Stellung zur aktuellen Debatte über Anti-Terror-Maßnahmen. Vor dem CDU-Nachwuchs kritisierte er die "weitgehende Fakten-Abstinenz", die viele Äußerungen der vergangenen Tage zur Gefahrenlage in Deutschland kennzeichne. Für Bosbach ist klar: "Nur in wenigen Ländern gibt es mehr Spuren des internationalen Terrorismus als in Deutschland. Wir sind also Teil eines großen Gefahrenraums", sagte der Fraktionsvize mit Hinweis auf sieben vereitelte oder fehlgeschlagene Terroranschläge in den vergangenen Jahren. Die Konsequenz aus diesem Bedrohungspotenzial sei aber nicht die Etablierung eines Polizeistaats. Es gebe aber noch Schutzlücken, die der Gesetzgeber schließen müsse. Die Devise der CDU laute daher, "für so viel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig" zu sorgen. So müsse die Ausbildung in Terrorcamps oder die Verbreitung von Anleitungen zum Bombenbau im Internet oder in gedruckter Form endlich unter Strafe gestellt werden, betonte Bosbach. Als "absurd" bezeichnete er den Vorwurf, "dass wir eine Militarisierung der Inneren Sicherheit planen". Der Einsatz der Bundeswehr im Inland müsse aber zumindest dann auf eine verfassungsrechtliche Grundlage gestellt werden, wenn beispielsweise bei einem Terrorangriff aus der Luft die Polizei zwar die Aufgabe, nicht aber die Mittel zur Gefahrenabwehr habe. "Kompetenz und Fähigkeiten müssen also zusammengeführt werden", betonte Bosbach. Die Kritik am CDU-Verteidigungsminister wies der Fraktions-Vize zurück. Jung hatte sich für eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes ausgesprochen, damit notfalls entführte und als fliegende Bomben eingesetzte Passagierflugzeuge abgeschossen werden können, um ein noch größeres Desaster zu verhindern. Die Möglichkeit eines Abschusses hat das Bundesverfassungsgericht aber bereits 2002 mit der Begründung gekippt, dass keine Unschuldigen getötet werden dürften. Der Staat steht daher laut Bosbach nach geltendem Recht bei einem Terrorangriff, der möglicherweise neben den Passagieren noch eine weit höhere Opferzahl fordern könnte, "vor einem Dilemma. Das hat der Minister beschrieben. Wie deshalb die ganze Republik über ihn herfallen kann, verstehe ich nicht". Selbst wenn es zu einer Gesetzesänderung kommen würde, könne er sich "nicht vorstellen, dass irgendein Verteidigungsminister bei unklarer Lage in der Maschine einen Abschussbefehl geben wird", so Bosbach weiter.Stark machte sich der CDU-Fraktionsvize schließlich für die umstrittene Initiative von Innenminister Schäuble, der "Online-Durchsuchungen" zulassen will. "Wir wollen nur technisch mithalten und können darauf nicht verzichten. Sonst geben wir Terroristen Raum zur Kommunikation, in die der Staat nicht eingreift. Das wäre grob fahrlässig", so Bosbach. Die Aufregung über diesen Vorschlag sei völlig unverständlich, da dieses Mittel nur bei einem konkreten Verdacht eingesetzt werden soll. "Wir schätzen, dass es pro Jahr zehn bis zwölf Online-Durchsuchungen geben wird. Wie kann man da von einem Überwachungsstaat sprechen?", fragte Bosbach. Zur Person Wolfgang Bosbach, geboren 1952 in Bergisch-Gladbach, ist seit 2000 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das Ressort Innen- und Rechtspolitik. Nach der Mittleren Reife 1968 machte er zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und war eine zeitlang als Leiter eines Supermarkts tätig. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er 1980 das Abitur nach. Anschließend studierte er in Köln Jura. Seit 1991 ist er als Rechtsanwalt zugelassen. Im deutschen Bundestag sitzt Bosbach seit 1994. Er ist verheiratet und hat drei Töchter

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