Kein Raum für Trauer

Zu der neuen Möglichkeit der Urnen-Bestattung in Greimerath hat uns folgende Zuschrift erreicht:

Seit einigen Wochen gibt es auf dem Friedhof in Greimerath zehn Urnen-Nischen. Braucht ein Ort von etwas mehr als 1000 Einwohnern, die in der überwiegenden Mehrzahl katholisch sind, Urnen-Nischen? Wer hatte Interesse an der Realisierung dieses Vorhabens? An Gräbern, die von Angehörigen gepflegt und bepflanzt werden, kann man der Verstorbenen noch gedenken, folgt dem Rhythmus der Jahreszeiten, dem Werden und Vergehen. Wie soll dies bei Urnen-Nischen geschehen? Man stelle sich vor, wie an den kirchlichen Hochfesten und an Allerheiligen/Allerseelen Angehörige sich pulkförmig vor den Urnen-Nischen versammeln. Wo hat man seinen eigenen, individuellen Raum zur Trauer und zum Gedenken? Wo ist noch Abstand und Diskretion zum Nächsten gegeben? Verunmöglichen diese "Urnen-Käfige" nicht jegliche Trauer- und Erinnerungsarbeit, nicht jeden Ausdruck von Trauer und Schmerz? War es den Befürwortern etwa darum zu tun? Ist es inzwischen selbst in dörflichen Gemeinden schon soweit gekommen, dass Grabpflege zu teuer und lästig geworden ist?Mit Fug und Recht dürfen alle Greimerather bis dato stolz auf ihren überaus gepflegten Friedhof sein! Macht die Entsorgungsmentalität von Technokraten und neoliberalen Geldhaien, denen die Pflege und Versorgung gebrechlicher und bedürftiger alter Menschen bereits zu kostenintensiv und damit lästig ist, nicht einmal mehr vor unserer Bestattungskultur halt? Welcher Enkel mit Charakter wäre nicht froh darum, zum Grab seiner Großeltern gehen zu dürfen und so eine innere Verbindung zu seinen Vorfahren knüpfen zu können? Wie viel Kummer und Betrübnis gerade durch die Pflege eines Grabes, in der Hände-Arbeit mit der Erde, von der wir bekanntlich kommen und zu der wir zurückkehren, gleichsam abgearbeitet werden kann, weiß nur der zu erahnen, der es selbst erspürt hat. Müssen wir im Bereich der Bestattung allen modernen Tendenzen folgen oder lehrt nicht die Erfahrung, dass wir uns am stärksten in den seit Generationen überlieferten traditionellen Ritualen und Gepflogenheiten wiederfinden und geborgen sind?Hermann-Josef Schmitt, München gesellschaft

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