Ausschuss-Wahlen: Gültig oder nicht?

Morbach · Muss der Morbacher Gemeinderat seine Ausschüsse neu wählen? Sechs Gremien haben zu viele Mitglieder, die kein Ratsmandat besitzen. Der Bürgermeister, der für die ordnungsgemäße Besetzung der Gremien verantwortlich ist, verweist auf die Wünsche der Fraktionen, kündigt eine Erklärung an und verabschiedet sich in den Urlaub.

Morbach. In vielen Räten ist die Wahl von Mitgliedern für die Fachausschüsse eine Pflichtübung. Die Fraktionen und Gruppierungen schlagen Listen mit Personen vor, die dort Entscheidungen treffen oder Sachverhalte diskutieren und vorbereiten, die anschließend vom Gemeinderat umgesetzt werden. Doch möglicherweise entspricht die Wahl der Ausschüsse in der jüngsten Sitzung des Morbacher Gemeinderats nicht den gesetzlichen Vorschriften und muss wiederholt werden.
Was ist passiert? Ausschüsse können laut Satzung der jeweiligen Gemeinden gemischt besetzt werden. Das bedeutet, dass auch Personen, die nicht Mitglied des Gemeinderats sind, in diesen Ausschüssen mitarbeiten können. Allerdings soll laut Gemeindeordnung die Hälfte der Ausschussmitglieder auch Mitglied im Gemeinderat sein, um das Gremium ausreichend mit den Ausschüssen zu verzahnen.
Diese 50-Prozent-Quote gilt auch für die Ersatzkandidaten. Diese nehmen dann an den Sitzungen teil, wenn das Mitglied verhindert ist.
In Morbach sind die Vorgaben der Gemeindeordnung offenbar bei keinem der sechs gewählten gemischten Ausschüsse eingehalten worden. Im Bau- und Liegenschaftssauschuss sitzen beispielsweise lediglich vier von zehn Mitgliedern auch im Gemeinderat, im Sozial- und Jugend- und Kulturausschuss sind es gar nur drei von zehn statt der geforderten fünf. In den Fremdenverkehrsausschuss der Einheitsgemeinde sind zwar fünf Ratsmitglieder gewählt worden, doch ist bei den Ersatzmitgliedern nicht auf die vorgeschriebene Quote geachtet worden.Auswirkungen sind noch unklar


Solche Besetzungen sind laut Manuel Follmann, Sprecher der Kreisverwaltung, nicht korrekt: "Die Regelung bedeutet grundsätzlich ein Muss", sagt er. Ausnahmen können nur bei kleinen politischen Gruppen erfolgen, bei denen die jeweiligen Personen in zu vielen Ausschüssen sitzen müssen und denen daher eine Überlastung droht.
Falls die Wahl nicht den Vorschriften der Gemeindeordnung entspreche und keine Ausnahmegründe vorlägen, sei sie rechtswidrig und müsse wiederholt werden, sagt Follmann. Der Bürgermeister habe darauf hinzuwirken, "dass die Wahlvorschläge der politischen Gruppen den gesetzlichen Erfordernissen Rechnung tragen." Als der TV Bürgermeister Andreas Hackethal mit den Auskünften der Kreisverwaltung konfrontiert, bittet dieser erst um Gelegenheit, den Sachverhalt zu prüfen und kündigt an, Stellung zu nehmen, sobald er den Ältestenrat informiert hat.
Am Tag nach der Sitzung ist Hackethal für den TV für telefonische Fragen zum Sachverhalt nicht erreichbar. Stattdessen schickt er vor seinem Urlaubsantritt eine kurze Mail, in der er darauf hinweist, dass die Besetzung der Ausschüsse aufgrund des besonderen Wunsches der Fraktionen zu Stande kam, um möglichst viele Bürger einzubinden und Fachausschüsse mit Fachleuten besetzen zu können. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit seien stets positiv gewesen. Eine abschließende Erklärung folge zu einem späteren Zeitpunkt, schreibt der Bürgermeister.
So bleibt offen, ob Hackethal die gemeinsamen Vorschlagslisten von CDU, FWM, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen für die sechs gemischt besetzten Ausschüsse, die bei der Sitzung des Gemeinderats gewählt wurden, nicht auf ihre Korrektheit geprüft oder ob er die Listen akzeptiert hat, obwohl er möglicherweise wusste, dass diese nicht der Gemeindeordnung entsprechen könnten.
Auch bleibt derzeit so unklar, ob die Ausschüsse tatsächlich neu gewählt werden müssen und ob dies Auswirkungen auf die politische Arbeit in der Einheitsgemeinde hat.Meinung

Kein rechtsfreier Raum
Ausschüsse sind wichtige Gremien. Sie diskutieren in ihrem Zuständigkeitsbereich oft tiefgreifend und lange und bereiten Beschlüsse der Parlamente vor. So wird das Plenum entlastet und der Sachverstand gebündelt. Die Vorbereitung politischer Entscheidung hat oft essentiellen Einfluss darauf, wie diese Entscheidungen am Ende aussehen, da bestimmte Optionen schon vorab ausschlossen werden. Das ist gut und richtig so, weil sonst Gemeinderäte, Landtage und der Bundestag endlos Debatten über Details führen würden, die nur ein kleiner Teil der Mitglieder tatsächlich nachvollziehen könnte. Es ist auch gut und sinnvoll, möglichst großen Sachverstand in die Arbeit von Ausschüssen einzubinden und sich diesen - gerade bei Amateur-Parlamenten wie Gemeinderäten - auch von außerhalb des Kreises der gewählten Mitglieder zu holen. Aber gerade weil Ausschussarbeit wichtig, vorentscheidend und damit einflussreich ist, ist auch die Vorschrift sinnvoll, dass der Anteil der "Externen" nicht zu groß ist. Denn Entscheidungsträger sind in einer Demokratie nun einmal die von den Bürgern gewählten Vertreter und nicht von Parteien nachträglich benannte Menschen, sei ihr Sachverstand auch noch so groß. Da Ausschüsse kein rechtsfreier Raum sind, werden die Morbacher ihre Ausschussmitglieder wohl zum Teil neu wählen müssen. Das ist kein Beinbruch. Was allerdings schon verwundert: dass diese Praxis offenbar in Morbach nicht neu ist, sondern schon seit einigen Legislaturperioden angewandt wird. Nur hingeschaut hat bisher niemand - weder der derzeitige Bürgermeister, noch sein Vorgänger, der heutige Landrat Gregor Eibes, noch die Kommunalaufsicht bei der Kreisverwaltung. l.ross@volksfreund.deExtra

Das sagen Sprecher der politischen Gruppierungen: Theo Wagner, SPD: "Wir sind dankbar für die Information und müssen in der Fraktion die Vorschläge überprüfen und abstimmen, wie wir weiter vorgehen." Wilhelm Feilen, FWM: "Wir hatten die Besetzung der Ausschüsse all die Jahre schon so praktiziert, um die Arbeit auf viele Schultern zu verteilen. Wir müssen in der Fraktion über die neue Situation sprechen." Uwe Andretta, Bündnis 90/Die Grünen: "Wir hatten es als Soll-Regelung verstanden. Bereits vor drei Legislaturperioden hatten wir uns darauf verständigt, mehr externe Leute in die Ausschüsse zu holen, um Fachkompetenz zu erhalten und keine Mitglieder des Gemeinderats zu überlasten." Kurt Müllers, FDP: "Wir müssen intern noch mal darüber sprechen. Wir sollten auf kompetente Mitglieder in den Ausschüssen Wert legen." Rainer Stablo, Linke: "Wenn es dafür Vorschriften gibt, müssen wir diese auch einhalten, sonst werden die Beschlüsse der Ausschüsse möglicherweise anfechtbar." Von der CDU war trotz mehrfacher Nachfrage, auch noch am Dienstag, keine Stellungnahme zu bekommen. cstExtra

In der Einheitsgemeinde Morbach gibt es folgende gemischt besetzten Ausschüsse: Bau- und Liegenschaftsausschuss, Forst- und Landwirtschaftsausschuss, Sozial-, Jugend- und Kulturausschuss, Fremdenverkehrsausschuss, Werkausschuss, Energie- und Umweltausschuss, Schulträgerausschuss und Umlegungsauschuss. Folgende Ausschüsse werden nur mit Ratsmitgliedern besetzt: Haupt- und Finanzausschuss sowie Rechnungsprüfungsausschuss. cst

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