Ende eines Traditionslokals

Gonzerath · Das Gonzerather Gasthaus Zur Linde hat vor fünf Jahren in großem Stil seinen 130. Geburtstag gefeiert. Zum Jahreswechsel endet seine Geschichte. Die Inhaber haben sich entschieden, den Betrieb mit Rücksicht auf ihre junge Familie aufzugeben. Ob und wie es mit einem Pächter oder neuem Besitzer weitergeht, ist noch offen.

Gonzerath. Es läuft gut im Gonzerather Gasthaus Zur Linde. An vielen Wochenenden ist das Restaurant ausgebucht - ebenso wie die vor fünf Jahren eingerichteten Zimmer mit 13 Gästebetten. Dennoch werden am 31. Dezember die Lichter ausgehen in dem Traditionsbetrieb, der seit mindestens 135 Jahren in Familienhand ist (siehe Extra).
Der 130. Geburtstag vor fünf Jahren wurde noch groß gefeiert. Denn ein Jahr zuvor hatte Martin Schmitz den elterlichen Betrieb übernommen. Nach dem Tod seines Vaters wollten er und Ehefrau Nadine die Familientradition fortführen. Dafür verzichteten sie auf gesicherte Zukunftsperspektiven in der Schweiz, wo sie zuvor arbeiteten, und kehrten in den Hunsrück zurück.
Ihre heutigen Beweggründe sind ähnlich. "Ich habe das Haus 2007 aus Liebe zu meinem Vater gekauft und höre jetzt aus Liebe zu meiner Familie auf", sagt der 34-jährige Koch, für den ebenso wie für seine Frau Nadine (30) Beruf gleich Berufung ist.
Insbesondere die Töchter Klara-Mariella (6) und Rosalie-Theres (3) sollen nicht länger an zweiter Stelle stehen. Immer öfter kümmerten sich Nadines Eltern und Großeltern um die Kinder. "Ohne sie hätten wir das gar nicht schaffen können", sind sich beide bewusst, dass sie ansonsten dem selbst gesteckten hohen Anspruch gar nicht hätten gerecht werden konnten. Denn wöchentliche Arbeitszeiten von 80 Stunden plus sind für ihn wie für sie, die weiterhin ihren Partyservice betreiben wird, eher die Norm als die Ausnahme.
Dennoch war die jetzige Entscheidung nicht einfach. Schließlich kostete es viel Herzblut und Aufwand, um sich dank treuer Gäste binnen kurzer Zeit als Spezialisten für nachhaltige regionale Küche zu etablieren.
Gesundheitliche Probleme infolge einer Borreliose-Infektion veranlassten Schmitz jedoch, bisherige Prioritäten zu überdenken. Er wolle einfach mehr Zeit für seine Familie haben, sagt er. Erfolg sei ja etwas Schönes - doch die Frage sei auch immer, um welchen Preis: "Das Leben an sich ist wichtiger als irgendeine Etikette." Zumal er seine Leidenschaft, das Kochen, auch als Angestellter im Kloster Marienhöh in Langweiler wird ausleben können.
Den damaligen Schritt in die Selbstständigkeit bereut er ebenso wenig wie seine Frau. Mit dem in der Linde erfolgreich realisierten Konzept seien sie sich selbst treu geblieben. Außerdem seien sie dankbar für viele positive Erfahrungen und Begegnungen mit Menschen.
Daher wird sich auch bis Ende des Jahres für ihre Gäste wenig ändern. Dank Ehefrau Nadine und drei Teilzeitmitarbeitern bleiben die Türen zumindest von freitags bis sonntags offen.
Ob und wie es mit der Linde möglicherweise unter anderer Regie weitergeht, ist noch offen. "Wir sind uns selbst noch unschlüssig", sagen die Besitzer, "was mit dem Haus geschehen soll."Extra

In dem heutigen Gasthaus Zur Linde befanden sich 1879 eine Gaststube und ein Laden, wie alte Baupläne belegen. Der Wirt und Bäcker Wilhelm Rössler, Urgroßvater von Martin Schmitz, baute damals um. Nach seinem Tod heiratete seine Witwe Barbara Josef Linn, der die Gaststube 1899 übernahm. Ihre gemeinsame Tochter Rosa heiratete 1947 Albert Schmitz, einen Viehhändler und Schafhalter aus Gräfendhron, der die Wirtschaft bis zu seinem Tod 1979 führte. Anschließend führte seine Frau den Betrieb, unterstützt von Martins Vater Matthias, der mit 21 Jahren einstieg. Martin selbst übernahm ebenfalls nach dem Tod seines Vaters die zuvor etwa ein Jahr geschlossene Linde. urs

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