Aus für die Übergangslösung

Die Morbacher Mediziner, die zeitweilig Notarzt-Einsätze gefahren sind, tun dies ab sofort nicht mehr. Ihre Entscheidung basiert auf einer Äußerung von Günter Gerhardt von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz. Eine Zwischenlösung, die im Oktober vergangenen Jahres inoffiziell in Morbach vereinbart wurde, wird von der KV nicht länger toleriert.

 Das Interesse am Notarzt-Thema in der Bevölkerung ist groß. Rund 150 Menschen kamen zur Live-Sendung auf den Pont-sur-Yonne-Platz. TV-Foto: Ilse Rosenschild

Das Interesse am Notarzt-Thema in der Bevölkerung ist groß. Rund 150 Menschen kamen zur Live-Sendung auf den Pont-sur-Yonne-Platz. TV-Foto: Ilse Rosenschild

Morbach. Für viele Einwohner ist die Haltung in der Notarzt-Frage klar. "Schon allein wegen der vielen Industriearbeitsplätze muss ein Notarzt her", äußert sich Emil Heinrich aus Morbach am Rande der SWR-Fernsehsendung "Reiss und Leute", die am Mittwochabend live aus Morbach gesendet wird. "Bei Notfall-Einsätzen zählt jede Minute", weiß Marco Knöppel aus Gonzerath, Feuerwehr-Chef in der Einheitsgemeinde. "Der Notarzt ist ein absolutes Muss", meint auch Jürgen Lieser aus Morbach. Den Vertreter des Innenministeriums, Hermann-Josef Gundlach, fragt er vor laufender Kamera, ob seine Behörde bei den Gesprächen im vergangenen Jahr nicht auf Zeit gespielt hat. Müssen Firmen selbst einen Arzt vorhalten?

 Ein Bild, das bereits Geschichte ist: Die Morbacher Notärzte Tobias Kühne, Birgit und Folker Musial fahren keine Rettungseinsätze mehr. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Ein Bild, das bereits Geschichte ist: Die Morbacher Notärzte Tobias Kühne, Birgit und Folker Musial fahren keine Rettungseinsätze mehr. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Denn mittlerweile gebe es einen neuen Landesrettungsdienstplan, in dem nach seiner Kenntnis erstmals festgelegt sei, dass ein Notarzt in der Regel in 30 Minuten am Einsatzort sein müsse. Damit sei eine Lösung ohne eigenen Notarzt in Morbach gedeckt. Für den Referenten aus Mainz geht es nicht um eine Frage des Standortes, sondern der Frage der Versorgung: Der Notarzt werde vom Hubschrauber oder von den Nachbarstandorten hergebracht. Gerd Michael Lersch, Geschäftsführer beim Sägewerk Lud. Kuntz GmbH, macht auf die Unfälle im industriellen Bereich aufmerksam, die "trotz bester Sicherheitsvorkehrungen" nicht auszuschließen seien. Wenn das Gefahrenpotenzial so groß sei, müsse sich die Firma fragen, ob sie nicht selbst entsprechende Vorkehrungen treffen müsse, "vielleicht sogar mit einem Arzt", entgegnet Gundlach. "Das sind fünf Zacken zu viel", empört sich Felix Assmann, zweiter Beigeordneter der Gemeinde Morbach, wenn man von Firmen, die Arbeitsplätze schaffen, auch noch erwarte, sie müssten sich um die notärztliche Versorgung kümmern. Noch nicht im Dienst ist übrigens der Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, der auch die medizinische Versorgung in Morbach prüfen soll. Er war für Ende Januar in Aussicht gestellt worden. Vor Juni ist nach Auskunft von Jürgen Haubrich von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg mit seinem Einsatz nicht zu rechnen. Von großer Bedeutung ist schließlich die Aussage von Günter Gerhardt von der Kassenärztlichen Vereinigung, der zunächst den "Hut zieht" vor den Morbacher Ärzten. Der KV-Vertreter macht allerdings deutlich, dass ein weiteres Nebeneinander von hausärztlichem Bereitschaftsdienst und Notarzt-Einsätzen, wie es seit einigen Monaten inoffiziell in Morbach praktiziert wird, aus Haftungsgründen nicht möglich sei. Dr. Tobias Kühne, einer der drei Mediziner, schildert ein aktuelles Beispiel für die Zwickmühle, in der er und seine Kollegen stecken. Am Ostersonntag wurde er als Notarzt zu einem Mann in Haag gerufen, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Während er diesen ins Krankenhaus brachte, liefen in seiner Praxis acht weitere Anrufe auf. Bei einem von ihnen wurde es laut Kühne "eng". Schon am Donnerstagmorgen ziehen die drei die Konsequenzen. "Wir fahren ab sofort keine Einsätze mehr", sagt Birgit Musial nach Absprache mit ihren Kollegen. Das Risiko sei ihnen zu hoch. Meinung Hiobsbotschaft für die Bürger Das ist eine Hiobsbotschaft für die Einwohner der Einheitsgemeinde Morbach. Ab sofort stellen die Morbacher Ärzte ihre Einsätze als Notarzt, die sie zusätzlich zu ihrer Hausarzttätigkeit gemacht haben, ein. Doch in der Frage der Notarzt-Versorgung darf man ihnen nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Dass die drei den Schlüssel für das Einsatz-Fahrzeug wieder an den Nagel hängen, ist aus ihrer Sicht konsequent und nachvollziehbar. Sie haben trotz ihrer hohen Arbeitsbelastung freiwillig diese Aufgabe übernommen. Diese ist ihnen nicht zu viel geworden. Vielmehr wurden die Ärzte ausgebremst von der harten Haltung der Kassenärztlichen Vereinigung, die das Nebeneinander von hausärztlichen Bereitschaftsdienst und Notarzt-Einsätzen nicht länger toleriert. Rechtlich mag das einwandfrei sein, zumal die Frist von der Erstalarmierung bis zum Eintreffen des Notarztes am Unfallort offenbar erst kürzlich und mit 30 Minuten nicht sehr knapp bemessen wurde. Man bedenke: Die Feuerwehr muss in acht Minuten vor Ort sein. Nachvollziehbar ist die Haltung dennoch nicht. Vereinfacht gesagt: Man kann nicht zwei Herren dienen. Aber wovon sprechen wir? Dienen nicht Notarzt und Hausarzt dem gleichen Ziel, nämlich dem Erhalt von Gesundheit und Leben von Menschen? Darf es dann wirklich untersagt sein, das ein ausgebildeter Notfall-Mediziner Menschen beispielsweise mit Hexenschuss oder Bronchitis - ohne deren Pein gering schätzen zu wollen -, warten lässt, um einem Menschen zu helfen, der an einer Unfallstelle um sein Leben ringt? Wenn Gesetze dies fordern, dann müssen diese Paragrafen geändert werden. lse.rosenschild@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort