Ein Glas für eine ganze Runde

GONZERATH. (lars/iro) Raum für Anekdoten, kurze Abhandlungen und Erinnerungen unserer Leser schafft der Trierische Volksfreund ab heute unter den neuen Rubriken "Stadtgeschichte(n)" und "Dorfgeschichte(n)". Werden auch Sie mit einer eigenen Anekdote Teil der örtlichen Geschichte.

Geschichte ist nicht nur die Geschichte der großen Männer und Frauen, der Schlachten, Kriege und Verwüstungen. Geschichte ist auch das Kleine, das Beschauliche, die Geschichten, die für die Jüngeren verstehbar machen, warum man von der "guten, alten Zeit" spricht, ob wohl diese zumindest materiell betrachtet oft alles andere als gut war. Diese Art der lokalen Geschichte lebt manchmal zwar auch in Archiven, viel öfter aber in den Erinnerungen, in den Traditionen und in von Generation zu Generation weitergegebenen Anekdoten. Genau diesen will der Trierische Volksfreund von heute an jedem Donnerstag unter dem Titel "Stadtgeschichte(n)" und "Dorfgeschichte(n)" ihren Raum geben. Hier sollen historische Anekdoten veröffentlicht werden, neben kurzen Abhandlungen zu großen Ereignissen und Erklärungen oft rätselhafter Straßen- und Flurnamen, vor allem auch persönliche Erinnerungen unserer Leser an Umbrüche in den Dörfern ihren Platz finden. Zum Start erklären wir, was es in Gonzerath mit den Achtelchen auf sich hat: Den Gonzerather sagte man früher nach, sie tränken gerne Schnaps (Moseltrester). Ich kam als Zwölfjähriger in der Fastnachtszeit in ein Gonzerather Gasthaus. An einem Tisch saßen fünf Männer, die Schnaps tranken und guter Stimmung waren. Als ich meine Order ausgerichtet hatte und die Gaststube verlassen wollte, fragte mich einer: "Wej hechst dau, und wo kimmts de herr." Als ich mich zu erkennen gab, fing einer an zu lachen und sagte: "Kneff, geff emoll en Achtelche aus, eich henn dei Vatta gout kannt." Daraufhin sagte ich verlegen: "Mei Vatta hat mir kei Geld metgen", und verließ schleunigst das Lokal worauf die "Hejele" lauthals hinter mit her lachten. Was ist überhaupt ein "Achtelche", das noch heute an einem Stammtisch in Gonzerath bei einigen älteren Männern die Runde macht? Das "Achtelche" ist eine bestimmte Zeremonie, nach der in Gesellschaft Schnaps getrunken wird. Es ist aber auch der rituelle Gegenstand der Zeremonie, ein karaffenartiger Glasbehälter, nicht wie man annehmen könnte von einem Achtel Liter, sondern mit einem Eichmaß von nur 0,10 Liter Inhalt, der mit Schnaps gefüllt wird. Aber nicht der Wirt, sondern die Stammgäste selbst schenken sich den Trester in das Schnapsgläschen ein, welches dann als einziges Trinkglas die Runde macht. Wer das "Achtelche" bestellte (und bezahlte), durfte traditionsgemäß selber nicht ausschenken und auch noch nicht trinken. Vielmehr schenkte er es seinem Nachbarn zur Rechten ein und stellte das Gefäß hinter das Schnapsglas. Hatte dieser das Gläschen geleert, so füllte er es aus dem "Achtelche" wieder auf und stellte es seinem rechten Nachbarn in der gleichen Art und Weise hin. Wer das letzte Gläschen leerte, musste ein neues "Achtelchen" spendieren. Aber auch wer sich versehentlich selber einschenkte, musste das nächste "Achtelche" berappen. Manchmal wurde das leere "Achtelchen" auch auf den Tisch gelegt, mit Schwung gedreht und abgewartet bis es ruhig liegen blieb. Auf wen dann die Öffnung zeigte, der musste die nächste Runde ausgeben. Hermann Bohn (Autor der Zeitschrift Hott und Mitglied im Hunsrückverein) Wenn auch Sie eine Anekdote kennen, einen unverständlichen Namen eines Hauses, einer Straße oder eines Flurstücks erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine ganz persönliche Geschichte zu erzählen haben, dann schreiben Sie unter dem Stichwort "Stadtgeschichten" mit Ihrem Namen, Adresse und Telefonnummer für etwaige Rückfragen an die E-Mail-Adresse hunsrueck@volksfreund.de Wichtig für eine rasche Veröffentlichung ist, dass ihre Geschichte knapp formuliert ist und etwa 60 Druckzeilen (à 30 Anschläge) umfasst. Falls Ihnen ein historisches Foto vorliegt, ist uns dieses (hinreichende Qualität vorausgesetzt) natürlich auch willkommen. Die Lokalredaktion freut sich auf Ihre persönliche(n) Geschichte(n).

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