Ende zweier Messdiener-Karrieren

Hermann Arend aus Malborn hat seinem Pfarrer einst einen bösen Streich gespielt. Mit der Strafe war er anschließend gar nicht so unzufrieden.

Malborn. Die Aufregung um die Wiederbelebung des tridentinischen Messrituals durch Papst Benedikt XVI. lässt Erinnerungen wach werden an die Zeit, als der Dorfpfarrer die heilige Messe noch konsequent mit dem Rücken zur Gemeinde und in lateinischer Sprache zelebrierte. Die Ministranten wurden von der männlichen Jugend gestellt, Mädchen waren von diesem Dienst damals ausgeschlossen.So kamen auch die beiden damals bekanntesten Lausbuben Malborns, Kurt P. und meine Wenigkeit, zu der Ehre, diesen Kirchendienst zu entrichten. Wohlweislich konnte der Pfarrer monatelang verhindern, dass wir beiden gemeinsam während einer Messfeier als Ministranten fungierten, um somit vorausschauend Ungemach von der katholischen Lokalkirche fernzuhalten.An einem Sonntagmorgen ließ sich dann aus organisatorischen Gründen ein gleichzeitiger Einsatz von uns beiden nicht vermeiden, wir waren als Messdiener für das Hochamt auserwählt. Eine halbe Stunde vor dem Beginn der Messe waren wir zwei schon in der Sakristei, von Pfarrer, Küsterin oder Vorbeterin war noch niemand da.Die für die Gabenbereitung notwendigen Utensilien wie die Gefäße für Wasser und Wein waren bereits auf der Anrichte neben dem Hochaltar vorbereitet. Verlockend stach uns die kleine Weinkaraffe in die Augen. Schnell war das Fläschchen entstöpselt und — kameradschaftlich aufgeteilt — leer getrunken. Sollte es zu einem Rauschzustand gekommen sein, so war dieser in Anbetracht der möglichen Konsequenz dieses Sakrilegs schnell verflogen. Da kein gleichwertiger Ersatz für den Wein in der Sakristei aufgetrieben werden konnte, wurde das leere Behältnis mit Wasser gefüllt.Unruhig wurde von den Übeltätern nun der Beginn des Hochamtes erwartet. Mit schlechtem Gewissen wurde die Eröffnung der Messfeier mit dem allgemeinen Schuldbekenntnis (Confiteor), den Kyrie-Rufen sowie der Wortgottesdienst mit den Lesungen und dem Evangelium hinter sich gebracht; als schließlich die Eucharistiefeier begann, wurde es ernst. Bei der Gabenbereitung musste der Schwindel auffliegen. Beim Eingießen des vermeintlichen Weins war bei dem strengen und würdigen Priester bereits ein leises Stirnerunzeln zu bemerken, beim Ritual des Trinkens platzte dann die Bombe. Wie erstarrt unterbrach der Pfarrer die Gabenbereitung und verharrte in einer abwartenden Haltung vor dem Hochaltar, an der Seite des Altars mit einem flauen Gefühl im Magen die Übeltäter. Die Eucharistiefeier ging nicht weiter. Stumm sprach der gestrenge Herr einige Gebete und gestikulierte auffällig mit der rechten Hand. Seine Haushälterin, die auf der Empore als Vorbeterin fungierte, konnte die Zeichen richtig deuten. In der Stille der Kirche waren deutlich ihre Schritte auf der Treppe zum Kirchenausgang zu vernehmen.Unbeweglich präsentierte der Priester weiterhin der Kirchengemeinde seinen Rücken. Der Organist schwieg, die anwesenden Gläubigen wurden langsam unruhig, weil niemand den Grund für das Verhalten ihres Gemeindehirten einschätzen konnte. Die Herren hatten bereits die Befürchtung, dass durch die Verzögerung der Messfeier der traditionelle Frühschoppen im nahe gelegenen Gasthaus an diesem Sonntag ausfallen müsste.Nach quälend langen Minuten erschien endlich die Haushälterin und brachte den Wein. Auch die beiden Lausbuben standen bis dahin unbeweglich an der Seite des Altars. Kurt P. deutete mit einem leisen Ziehen am Ärmel meines Messgewandes an, dass wir durch die Sakristei verschwinden sollten, um dem zu erwartenden Strafgericht zu entgehen. Ich murmelte ihm zu, dass ich ein Ende mit Schrecken einer unüberlegten Flucht vorziehen wollte, und somit ließen wir die Dinge auf uns zukommen.Ein Donnerwetter ohne gleichen

Als die Eucharistiefeier fortgesetzt werden konnte und sich unser Pfarrer zur Händewaschung zu uns umdrehte, erstarrten wir angesichts der Blicke, die er uns zuwarf, fast zu Salzsäulen. Über das Donnerwetter, das nach dem Hochamt in der Sakristei über uns hereinbrach, ist auch nach über 40 Jahren besser der Mantel des Schweigens zu hüllen.Der Streich führte jedenfalls sofort zur Suspendierung vom Messdieneramt, was wir beide allerdings nicht unbedingt als sehr grausame Strafe empfanden. So blieb uns zukünftig noch mehr Zeit, um weitere Streiche auszuhecken und durchzuführen.Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, den Namen eines Hauses oder einer Straße erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, schreiben Sie unter dem Stichwort "Dorfgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse hunsrueck@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 60 Druckzeilen (à 30 Anschlägen) umfasst.

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