Harztherapie für Kolosse

Im Januar sorgten die 14 Windräder in der Morbacher Energielandschaft (MEL) für Schlagzeilen. In den Fundamenten von sechs der "weißen Riesen" waren Risse aufgetaucht, die im Laufe der Zeit größer wurden. In der Zwischenzeit sind zwei Anlagen saniert, vier weitere folgen in den nächsten Wochen.

Wenigerath/Mainz. Das Thema war bei der Firma Juwi GmbH in Mainz schon länger bekannt. Bei routinemäßigen, halbjährlichen Inspektionen waren Mitarbeitern der Juwi Service und Technik GmbH schwache Risse in den Beton-Fundamenten aufgefallen. "Grundsätzlich ist dies nichts Ungewöhnliches", ist Christian Hinsch, Pressesprecher bei der Firma Juwi GmbH, überzeugt. Sein Unternehmen ist derzeit zuständig für die technische und kaufmännische Betriebsführung der Anlagen in der MEL. Risse seien "völlig normal und treten auch an Gebäuden und Brücken auf". Ein neutraler Sachverständiger und der Anlagenhersteller, das Husumer Unternehmen Vestas, hätten die Risse als "unbedeutend" eingestuft. Im August 2006 berichtete dann ein Windpark-Betreuer von "auffälligeren Turmbewegungen". Ein Experte für Betonbauwerke nahm die Kolosse erneut unter die Lupe und empfahl die Stilllegung mehrerer Anlagen. Das erfolgte auch zeitweilig. In der Zwischenzeit wurden zwei Anlagen saniert, vier weitere folgen.Die schnelle Sanierung habe nichts damit zu tun, dass im Energiepark eine Gefahr lauert, versichert Hinsch. Vielmehr will man die Schadensausweitung hemmen. Die Standsicherheit sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Offenbar sah man das bei der Kreisverwaltung ähnlich. Dort sah man nach Angaben von Pressesprecherin Ute Erz keine Veranlassung einzuschreiten, da das Unternehmen rechtzeitig gehandelt hatte. Doch zunächst war guter Rat teuer. Denn ein Sanierungsverfahren (siehe Extra) musste erst noch entwickelt werden. Das geschah in der Diskussion zwischen Anlagenhersteller, der Firma Juwi als Projektentwickler, Versicherungen der Beteiligten und Gutachtern. Mit flüssigem Harz und Fließmörtel soll das Problem behoben werden. Noch ist nicht definitiv geklärt, wer die Risse zu verantworten hat. Eines ist allerdings aus der Sicht von Hinsch auffällig: Die Schäden traten lediglich bei einem Anlagen-Typ auf, dem Modell V 80. Hinsch meint, dass der Fehler "konstruktiv bedingt sein könnte". Deshalb könnten diese Phänomene über kurz oder lang auch an anderen Anlagen auftreten, glaubt er. Nicht nur an den 14 Rädern in der MEL, die alle vom gleichen Modell sind, sondern auch möglicherweise bei den landesweit einigen hundert Anlagen dieses Typs. Das derzeit geplante 15. und letzte Windrad in Wenigerath, das laut Juwi nach aktuellem Stand mit 210 Metern das weltgrößte wäre, dürfte davon nicht betroffen sein, weil es sich um eine komplett andere Konstruktion handelt. Hinsch sieht auch die Chancen, die mit dem Thema verbunden sind. Möglicherweise entwickle sich aus der Sanierung ein neues Geschäftsfeld. Eine Projektleiterin für diesen Bereich gibt es schließlich schon: Verena Göbel. Eine Stellungnahme vom Anlagenhersteller war bis gestern nicht zu bekommen. EXTRA Die Sanierungskonzepte wurden von mehreren Gutachtern mit dem Anlagenhersteller sowie den Experten der Juwi-Gruppe und der beteiligten Versicherungen entwickelt, erklärten Verena Göbel, Projektleiterin für Fundamentsanierung von der Firma Juwi und Juwi-Pressesprecher Christian Hinsch. Zunächst werden die Fundamente am oberen Rand freigelegt. Durch Kernbohrungen wird analysiert, wo saniert werden muss. Durch weitere Bohrlöcher wird flüssiges Harz in das Fundament gepresst. Auch Fließmörtel kommt zum Einsatz. Damit wird das durch den Betrieb entstandene Spiel im Windradfuß beseitigt. In den unteren Teil des Fundaments wird ein Wasser abweisendes Gel gespritzt. Das soll vor Korrosion schützen. Dann werden die Oberkanten der Fundamente erneut ausgegossen. (iro)

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