Tante Christel und ihre Kinder

THALFANG. (urs) Als Christel Haack 1965 im Kindergarten Thalfang anfing, war sie als 15-Jährige für 25 Kinder verantwortlich. Nun feierte sie ihr 40. Dienstjubiläum.

Ein Kinderbuch und drei bunte Bälle waren die Grundausstattung des ersten Thalfanger Kindergartens. Dabei ging der "Regenbogen" mit 50 Kindern an den Start. "Ich sehe Pfarrer Becker noch vor mir, wie er mir die Bälle gibt", erinnert sich Christel Haack, eine der zwei Mitarbeiterinnen, an die bescheidenen Anfänge. In sechs Schubladen habe jede der zwei Gruppen nur das Notwendigste gehabt, aber die Kinder seien glücklich gewesen. Vielleicht, weil Phantasie und Kreativität gefragt waren. Denn für die Unternehmungen, von denen "Tante Christel", wie ihre Schützlinge sie nannten, berichtet, sind auch Kinder von heute zu begeistern. "Man hat aus allem was gemacht", erzählt Christel Haack vom Werkeln mit Kleister und "Mehl-Babbes" oder Malen mit Erdfarben. Als Murmeln Mode waren, seien sie mit Schippchen und Eimern in eine nahe Grube spaziert, um Ton zu holen. Diesen formten die Kinder dann zu "Klickern", die sie in der Sonne trockneten und mit Wasserfarben anmalten. Dass sie als 15-Jährige - vorschriftsmäßig in weißer Kittelschürze - für 25 Kinder verantwortlich war, erscheint Haack selbst erstaunlich. Zum Glück sei nie etwas passiert. Auch nicht, als die Kindergartenhelferin wegen eines Personalwechsels drei Monate allein mit 50 Kindern war. Einfach sei das allerdings nicht gewesen, sagt sie. Der Arbeitstag, der in den ersten fünf Jahren das Putzen mit einschloss, dauerte von morgens sieben bis abends 18 Uhr. Mittels bergmännischer Anseil-Methode wurden die Kinder sogar nach Hause gebracht. Für viele Eltern, die auf den Bauernhöfen Arbeit hatten, sei der Kindergarten eine Entlastung gewesen. "Sie waren froh, dass die Kinder gut aufgehoben und versorgt waren und sie sie nicht mitnehmen mussten aufs Feld." Spielgeräte und Farbe zogen erst mit den Jahren in den Kindergarten ein. "Was vorher so trist war, war nachher schön bunt", erinnert sich Haack, die vom Beruf kaum pausierte. Krank sei sie kaum gewesen, und bei der Geburt der beiden Söhne waren 1973 und 1980 gerade mal acht Wochen beziehungsweise ein halbes Jahr Mutterschutz drin. Dennoch machte ihr die Arbeit immer Spaß. "Ich hab das gern gemacht, immer da sein, immer helfen und immer was Gutes tun." Darüber geriet jedoch ihre Ausbildung ins Hintertreffen. "Man wurde gebraucht", verweist Haack auch auf anfangs fehlende Möglichkeiten. Als Jahre später im Beruf tätige Frauen die Chance erhielten, dies nachzuholen, erfuhr sie viel zu spät davon. Den von ihr betreuten Kindern ging es da besser. Dass neun ihrer ehemaligen Schützlinge Erzieherinnen wurden und vier davon Leiterinnen, freut Haack besonders. Jutta Koch ist heute in der Kindertagesstätte "Arche Noah" sogar Haacks Chefin. Bei einem Vergleich damals und heute ist die 55-Jährige froh über die Entwicklung. "Das Schöne ist, wenn man was greifen kann und es ist da - wie das Bilderbuch oder das Blatt Papier." Außerdem bestehe heute die Möglichkeit, Eltern Hilfe anzubieten - sei es, um die Sprache des Kindes zu fördern oder einer Entwicklungsverzögerung frühzeitig und gezielt begegnen zu können. Früher habe sie hilflos zusehen müssen, weil Angebote wie eine Sonderschule fehlten. Für ihren Ehrentag hatte Ehemann Herbert im Kindergarten eine Bildergalerie vorbereitet, an der Erzieher und Gratulanten Schlange standen, um sich selbst oder andere darauf zu entdecken.

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