Wenn das Mühlenglöckchen rief ...

In der einstigen Müller-Domäne Hölzbach leben heute nur noch zwei Ur-Hölzbacher, die zwar kein Mehl mehr mahlen, aber weiterhin Strom produzieren. Alle anderen Bewohner der acht Häuser sind in neuerer Zeit zugezogen.

 Agnes Staudt und ihr Sohn Hermann-Josef schauen auch heute noch regelmäßig nach dem Rechten in der Staudtenmühle, einer ehemaligen Getreidemühle. TV-Foto: Ursula Schmieder

Agnes Staudt und ihr Sohn Hermann-Josef schauen auch heute noch regelmäßig nach dem Rechten in der Staudtenmühle, einer ehemaligen Getreidemühle. TV-Foto: Ursula Schmieder

Haag/Merscheid. Der Ursprung der Hölzbach, eines Weilers auf halbem Weg zwischen den Morbacher Ortsteilen Merscheid und Haag, ist unverkennbar. Die Menschen, die einst dort lebten, waren alle Müller. Heute ist davon aber kaum mehr etwas zu sehen. Denn die Wasserräder drehen sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr. In der Staudtenmühle, einer ehemaligen Getreidemühle, klapperten sie noch am längsten. Doch 1975 endete auch dort die Ära einer nachweislich bis 1723 zurückreichenden Familientradition.

Karl Staudt hatte damals endgültig beschlossen, den Mühlenbetrieb aufzugeben. Es habe sich einfach nicht mehr rentiert, erzählt seine Witwe Agnes Staudt. "Davon kann ich meine Familie nicht mehr ernähren", habe ihr Mann damals gesagt und sich eine neue Arbeitsstelle gesucht. Zu diesem Zeitpunkt waren die übrigen Mühlen ringsum - eine Schneidmühle und drei weitere Getreidemühlen - allerdings schon längst verstummt.

Die Staudtchen Kinder haben den Beruf des Müllers daher nicht mehr erlernt. Sie fuhren lediglich ab und an mit dem Vater auf Tour. Zwei- oder dreimal die Woche holte er Korn und Weizen ab oder lieferte Mehl aus. Ihre Mutter weiß aber noch genau, was der Beruf erforderte. Als Tochter eines Müllers war es ihr nicht schwer gefallen, sich mit der Mühle ihres Mannes zu arrangieren. Aber auch Sohn Hermann-Josef Staudt kann sich noch an manches erinnern. Etwa an das "Mühlenglöckchen, das zum Mahlwerk rief", wenn Getreide nachgefüllt werden musste. Wenn es klingelte, habe sie immer laufen müssen, erzählt seine Mutter. Allerdings musste sie keine schweren Säcke schleppen: "Das hätte Karl nie zugelassen."

Mutter und Sohn, die im Wohnhaus neben der Mühle leben, schauen regelmäßig nach dem Rechten in der Mühle. Denn das alte Wasserrad ist noch in Betrieb und produziert einen Teil des Strombedarfs. Bis vor wenigen Jahren hat Agnes Staudt daher auch Besucher rundgeführt. Meist waren es Wanderer, mit denen sie dann Ortsgrenzen überschreiten musste. Denn während die Mühle auf Merscheider Gemarkung steht, gehört das unmittelbar daneben errichtete Wohnhaus zu Haag.

Die Geschichte der Mühle reicht laut Agnes Staudt viele Jahrhunderte zurück: "Sie soll die Gesindemühle der Vögte von Hunolstein gewesen sein." Seit dem frühen 18. Jahrhundert ist sie im Familienbesitz. Von den früheren Müllern mit um 1860 mehr als 30 Bewohnern im Weiler Hölzbach ist die Familie Staudt heute die einzige, die noch dort lebt. Die Nachbarn in den inzwischen acht Häusern sind teils schon vor vielen Jahren aus Karlsruhe, Essen oder aus dem Saarland zugezogen.

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