Zum Mond oder in den Magen

Das Wort "Sondierungsgespräche" hat gute Chancen, zum Unwort des Jahres erklärt zu werden. Früher sprach man miteinander, diskutierte oder verhandelte. Spätestens seit Beginn der mittlerweile erfolgreich abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen in Berlin wird sondiert.

Zugegeben, auch bei der Suche nach einem Nachfolger für Papst Johannes Paul II. war der Begriff in den Medien zu finden. Doch dank Angie , Münte und Co. wird er nun inflationär gebraucht. Sondiert haben beispielsweise, wenn auch vergeblich, Morbachs Bürgermeister Gregor Eibes und Flughafen-Chef Jörg Schumacher wegen eines Kompromisses in Sachen Lärmschutz. Sondierungsgespräche führt derzeit der Hermeskeiler Rathaus-Chef Michael Hülpes mit der Bundesbahn um die Nutzung der Schiene für die Draisine. Wie das genau vor sich geht, weiß kaum jemand. Denn Sondierungen werden stets hinter verschlossenen Türen vorgenommen. Und niemand darf durchs Schlüsselloch gucken. Sonden suchen Wasser auf dem Mond oder Geschwüre im Magen. Die einen sind teuer und gehen schon mal ins Leere. Mit den anderen verbindet man unangenehme und schmerzhafte Untersuchungen. Welche Art Sonden besser zum Ausloten politischer Kompromisse passen, ist sicher von Einzelfall zu Einzelfall verschieden. Ob diese Frage wohl auch bei der Entscheidung um das Unwort des Jahres diskutiert wird? Nur eines ist ganz sicher: Die Jury wird in diesem Jahr nicht einfach zusammenkommen, sondern sie wird - kommen Sie drauf? - Sondierungsgespräche führen. (iro)

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