Behörde feuert insolvente Firma: Landesbetrieb entzieht Betam den Auftrag für Könener Ortsumgehung und will Neuvergabe

Konz/Trier/Bochum · Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) hat nach einem Monat Stillstand auf der Großbaustelle für die Könener Ortsumgehung die Reißleine gezogen und den Vertrag mit der insolventen Baufirma Betam gekündigt. Während der LBM sich um eine neue Ausschreibung kümmert, wirft ein Gewerkschafter dem Unternehmen Insolvenzverschleppung vor.

 Mit schwerem Gerät wie Muldenbaggern und Planierraupen werden 300 000 Kubikmeter Erde für den Bau der Ortsumgehung Konz-Könen bewegt. TV-Fotos (5): Jasmin Wagner

Mit schwerem Gerät wie Muldenbaggern und Planierraupen werden 300 000 Kubikmeter Erde für den Bau der Ortsumgehung Konz-Könen bewegt. TV-Fotos (5): Jasmin Wagner

Foto: (h_ko )

Die Brücken und Unterführungen für die Könener Ortsumgehung sind längst fertig, aber seit einen Monat hat niemand an der Trasse gearbeitet. Das liegt an der Pleite der beauftragten Baufirma Betam. Das Unternehmen hat am 10. Juli beim Amtsgericht Bochum Insolvenz angemeldet . Jetzt, drei Wochen danach, steht fest, dass es ohne die Firma aus dem Ruhrgebiet weitergehen soll.

Beschleunigtes Verfahren

Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Trier erklärt auf TV-Anfrage, "dass die vertragliche Zusammenarbeit mit der Firma Betam zum Bau der Ortsumgehung Könen nicht fortgeführt wird." Entsprechend den Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnungen werde in Kürze ein neues Vergabeverfahren eingeleitet. Der LBM Trier habe dazu den aktuellen Stand der Bauarbeiten begutachtet und überarbeite die Vergabeunterlagen. Das Ziel sei, unter der gebotenen Einhaltung von Mindestfristen schnellstmöglich die Bautätigkeiten wieder aufnehmen zu können, sagt Guido Wacht vom LBM: "Optimal könnte das noch im Herbst dieses Jahres erfolgen.

Um das Verfahren zu beschleunigen, soll es keine offene Ausschreibung geben, bei der europaweit Angebote frei eingereicht werden können. Zunächst beteilige der LBM die Unternehmen, die ohnehin ein Angebot bei der ursprünglichen Ausschreibung abgegeben haben. Der LBM ist mit der Problematik nicht alleine. Die nordrhein-westfälische Straßenbaubehörde hat Betam zum Beispiel ebenfalls mehrere Aufträge gekündigt (siehe Extra). Eines ist aus Sicht des LBM klar: Die Ortsumgehung wird keinesfalls 2016 für den Verkehr freigegeben. Wie lange sich das Projekt verzögert und ob es viel teurer wird als erwartet, steht noch nicht fest. Der Betam-Auftrag hatte ein Volumen von zehn Millionen Euro, die Gesamtkosten für das Projekt liegen laut Kostenprognose bei 20 Millionen Euro. Deutschlandweit sind neben der Könener Umgehung nicht nur zehn Großbaustellen an Autobahnen von der Insolvenz der Betam Infrastructure GmbH und der Betam Transport GmbH betroffen, sondern auch mehrere kleinere Projekte.

Rolf Weidmann, der die Insolvenz des Unternehmens im Auftrag einer Essener Großkanzlei abwickelt, sei zurzeit in ganz Deutschland unterwegs, um mit den Auftraggebern zu sprechen, sagt Thomas Schulz. Der freischaffende Kölner Medienprofi kümmert sich für die Insolvenzverwaltung um die Öffentlichkeitsarbeit. Bisher habe es eine Inventur des Betam-Fuhrparks gegeben. Zudem werde die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Baustellen berechnet. Das Insolvenzgeld für die Mitarbeiter sei vorfinanziert worden, sagt Schulz.

"Es werden viel zu viele Leute durch die Pleite benachteiligt: Tausende Autofahrer, aber auch die Arbeitnehmer", sagt Martin Koslowski. Er kümmert sich für die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt um die 450 Mitarbeiter der Betam Infrastructure GmbH an den Standorten Bochum, Ibbenbüren und Obrigfelde. Koslowski bestätigt, dass die Mai-Löhne inzwischen ausgezahlt wurden. Die Juni-Gehälter müssten laut Koslowski bald auf den Konten der Mitarbeiter eingehen. Ein Betam-Angestellter widerspricht dem. Er habe für den Mai noch kein Geld bekommen, schreibt er an den TV.

Während die Arbeiter auf ihr Gehalt lange warten mssen, hat einer der Gesellschafter der Firma am 8. Juni 12.510 Euro als Beraterhonorar in Rechnung gestellt. 10.000 Euro wurden dem Mann am 22. Juni überwiesen. Das belegen Unterlagen, die dem TV vorliegen. Auf der Rechnung gibt der Gesellschafter eine Adresse in Trier an - mitten in einem Wohngebiet nahe der Innenstadt. Das Pikante: Das Landgericht Erfurt hat den Gesellschafter aus Trier schon im Februar 2014 wegen Insolvenzverschleppung bei der Erfurter Braugold-Brauerei verurteilt und damit ein Urteil des Amtsgerichts von 2011 bestätigt. Der Vorwurf: Er hätte eineinhalb Jahre früher Insolvenz anmelden müssen.
Gewerkschaftler Koslowski sieht auch in dem aktuellen Fall einige Indizien für eine mögliche Insolvenzverschleppung. "Da wurde an verschiedenen Rädchen gedreht, um die Insolvenzanmeldung nach hinten zu verschieben", sagt er. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens werden solche Vorwürfe geprüft.

Die Insolvenzverwaltung selbst äußert sich auf TV-Anfrage aber zu einem solch frühen Zeitpunkt des Verfahrens noch nicht zu dem Vorwurf. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Bochum ermittelt ebenfalls nicht. Laut Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek, der für Wirtschaftsstraftaten zuständig ist, gab es bisher nichts festzustellen. Bei einem Telefonat mit dem TV erklärt er jedoch, dass es bei solchen Verfahren oft länger dauere, bis Ermittlungen eingeleitet würden.

Extra

Der Landesbetrieb Straßen.NRW hat Betam die Aufträge für die Baustelle auf der A 43 bei Marl und die A 44 bei Soest in Nordrhein-Westfalen gekündigt. Laut Zeitungsberichten klärt die Behörde derzeit, ob neue EU-weite Ausschreibungen notwendig sind. Die Straßenbaubehörde rechnet laut den Medienberichten mit einer Verzögerung von mindestens einem halben Jahr und mit Mehrkosten, die sie bei dem Unternehmen gültig machen will. cmk

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