Blind, krank und allein: Katastrophale Wohnverhältnisse in der Konzer Saarstraße

Konz · Schimmel an den Wänden, bröckelnder Putz: Das Haus, in dem Josef Heckmann lebt, ist vollkommen heruntergekommen. Er ist blind und dialysepflichtig, ein Sozialfall. Das Gesundheitsamt schätzt das Haus, das der Verbandsgemeinde gehört, als gesundheitsgefährdend ein.

 Josef Heckmann auf dem Sofa in seiner Wohnung. Der 59-Jährige ist blind und dialysepflichtig. TV-Fotos(4): Christian Kremer

Josef Heckmann auf dem Sofa in seiner Wohnung. Der 59-Jährige ist blind und dialysepflichtig. TV-Fotos(4): Christian Kremer

Foto: (h_ko )

Ein feuchter, schimmeliger Geruch schlägt einem entgegen, als sich die dreckig-braune Tür öffnet. Wie an der Außenfassade bröckelt auch im Flur des Gebäudes in der Konzer Saarstraße der Putz von den Wänden. Eigentümer des Hauses ist die Verbandsgemeinde Konz. Auf einem vergilbten Schild in einem Holzkasten mit Glasscheibe steht: "Vorsicht! Frisch gebohnert!" Das Treppenhaus sieht aber nicht so aus, als würde dort oft geputzt. Weil die Klingel an der Haustür nicht funktioniert, müssen die Besucher von Josef Heckmann, einem der Bewohner, eigenständig in den Flur eintreten. Ein Druck auf den Lichtschalter, und der elende Zustand des Hauses wird offenbart. Neben Heckmann wohnen dort zwei weitere Mietparteien.

Der 59-Jährige öffnet die Tür zu seiner Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung. Auch dort ist das Bild nicht besser. Vor allem im Bad ist Schimmel an der Decke. Dunkle Flecken auf den Wänden deuten darauf hin, dass auch diese von Sporen befallen sind. Das Gesundheitsamt hält die Zustände in der Wohnung für so miserabel, dass es die Verbandsgemeindeverwaltung mit Frist zum 15. August aufgefordert hat, dem behinderten Mieter neuen Wohnraum zu besorgen. Diese Frist ist am vergangenen Montag verstrichen. Sie ist zwar nicht rechtlich bindend, aber als dringende Empfehlung zu sehen. Sollte es zu Ordnungsmaßnahmen kommen, wäre das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde selbst zuständig. Diese hält eine Sanierung in der Saarstraße für zu teuer. Obwohl eigentlich Geld im aktuellen Haushalt der Verbandsgemeinde eingeplant war, wurde kürzlich beschlossen, das Haus abzureißen (der TV berichtete). Was mit den Mietern passiert, ist noch nicht klar.

Der Mieter: Heckmann, der wegen einer schweren Diabetes erblindet ist und an einer dialysepflichtigen Nierenerkrankung leidet, ist ein Sozialfall. Er tastet sich durch den Flur zu seiner Couch im Wohnzimmer. Dort setzt er sich auf eine dreckige Decke. Auf dieser Couch schläft Heckmann auch. Sein Schlafzimmer und das Bett sind so vollgestellt mit alter Kleidung und Einrichtungsgegenständen, dass er wegen seiner Blindheit nicht mehr durchkommt. Heckmanns Möbel sind uralt, noch älter ist der Ölofen. Dieser muss noch mit einer Ölkanne befüllt werden. Heckmann selbst schafft das wegen seiner Behinderung nicht. Im Gespräch mit dem TV erzählt er, dass er kürzlich wochenlang nicht geduscht habe, weil der Ofen kaputt gewesen sei.

Trotz all dieser miserablen Umstände wirkt der 59-Jährige nicht unzufrieden. Vor seiner Erkrankung habe er den Oberbilliger Gemeindebediensteten zugearbeitet, erzählt Heckmann. Heute verbringt er die meiste Zeit im Krankenhaus bei der Dialyse oder in der heruntergekommenen Wohnung.

"Die Hauptsache ist, man hat seine Ruhe, und der Ofen geht", sagt er heute. Als er 2012 eingezogen sei, habe er noch gehofft, dass das Haus saniert werde. Aber: "Es war ja keine andere Möglichkeit da, deshalb habe ich die Lage akzeptiert."

Nun sei er froh, dass seine Betreuer von der Sozialstation des Deutschen Roten Kreuzes ihm das Blindengeld verschafft hätten. Sein Essen bekomme er von der Tafel, und inzwischen würden ihm auch die Fahrtkosten für das Taxi zur Dialyse im Krankenhaus ersetzt.

Das Gesundheitsamt: Thomas Müller, Pressesprecher des Landkreises Trier-Saarburg, konkretisiert die Empfehlung des Gesundheitsamts: Bei Dialysepatienten wie Heckmann bestünde in der Regel eine Immunschwäche. Dies führe dazu, dass bereits geringe Schimmelpilzbelastung in der Wohnung mittelfristig die Gesundheit gefährden könne. Eine einfache Reinigung des Hauses würde aufgrund seiner baulichen Mängel auf Dauer nicht ausreichen. Deshalb hält das Gesundheitsamt eine Sanierung des Gebäudes oder den Umzug Heckmanns in eine andere, geeignete Wohnung für absolut notwendig. Allgemein würde das Gesundheitsamt häufiger wegen Schimmels in Häusern und Wohnungen eingeschaltet - eine gleichzeitige schwere chronische Erkrankung wie in diesem Fall sei aber sehr selten.

Die VG-Verwaltung: "Das Haus in der Saarstraße soll abgerissen werden. Eine Sanierung ist nicht mehr wirtschaftlich", sagt die Oberverwaltungsrätin der VG, Doris Klassen. Die Mietverhältnisse im Haus seien fristgerecht gekündigt worden. Außerdem diene das Haus als Obdachlosenunterkunft. Sie versichert, dass den Bewohnern bei der Suche nach einer neuen Wohnung geholfen werde. Nach dem Auszug werde dann der Abriss ausgeschrieben. Für Josef Heckmann stehe wegen der "sehr angespannten Wohnungsmarktsituation" derzeit keine andere Wohnung bereit. Klassen versichert: "Wir stehen in Kontakt mit den übrigen Behörden." Auf die Frist des Gesundheitsamts, die am Montag verstrichen ist, geht die Oberverwaltungsrätin nicht ein.Meinung

 Auch von außen macht das Haus in der Saarstraße in Konz einen enorm heruntergekommen Eindruck (links). Im Bad von Josef Heckmann ist die Decke voller Schimmel (Mitte). Auf dem rechten Foto die Eingangstür zum Haus. Die Klingel ist defekt, deshalb muss man anklopfen.

Auch von außen macht das Haus in der Saarstraße in Konz einen enorm heruntergekommen Eindruck (links). Im Bad von Josef Heckmann ist die Decke voller Schimmel (Mitte). Auf dem rechten Foto die Eingangstür zum Haus. Die Klingel ist defekt, deshalb muss man anklopfen.

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Blind, krank und allein: Katastrophale Wohnverhältnisse in der Konzer Saarstraße
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Blind, krank und allein: Katastrophale Wohnverhältnisse in der Konzer Saarstraße
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Menschenunwürdige ZuständeMenschenunwürdig! Das ist das erste Wort, was einem nach Verlassen des Hauses in der Konzer Saarstraße einfällt. Angesichts des Wohlstands in der Region Trier ist es ein Armutszeugnis einer Gesellschaft, dass Menschen in solchen Wohnungen leben müssen. Die Situation zeigt einerseits die Kehrseite der derzeitigen Niedrigzinspolitik und des Immobilienhypes. Andererseits zeigt es die Versäumnisse der (Kommunal-) Politik der vergangenen Jahrzehnte auf. Denn sie hat verpasst, den Bau von Sozialwohnungen besser zu fördern. Hinzu kommt, dass sie die vorhandenen Wohnungen vernachlässigt hat, bis sie nicht mehr zu retten sind. Da muss dringend etwas passieren, eine Mietpreisbremse reicht bei weitem nicht. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich der Bau bezahlbaren Wohnraums lohnt. c.kremer@volksfreund.de

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