Erst in Damaskus, jetzt auf dem Moselradweg: Erster Fahrradkurs für Flüchtlinge im Landkreis Trier-Saarburg

Konz · Flüchtlinge sind oft mit dem Fahrrad unterwegs. Die Verkehrsregeln kennen sie nicht immer genau. Deshalb haben der Motorsportclub Konz, die Deutsche Verkehrswacht und die Caritas in Konz den ersten Kurs für radfahrende Flüchtlinge im Landkreis Trier-Saarburg angeboten.

 Einsamer Vertreter seines Landes: Shewit Gebremeskel aus Eritrea beim Fahrradkurs für Flüchtlinge in Konz. TV-Foto: Christian Kremer

Einsamer Vertreter seines Landes: Shewit Gebremeskel aus Eritrea beim Fahrradkurs für Flüchtlinge in Konz. TV-Foto: Christian Kremer

Foto: (h_ko )

Riyadh Biyram fährt mit seinem blauen Fahrrad über den kleinen Verkehrsübungsplatz der Deutschen Verkehrswacht neben dem Kindergarten Arche Noah in Konz. Normalerweise lernen dort Kinder die Verkehrsregeln, diesmal kurven Flüchtlinge über den Platz.

In Kobane nie mit dem Rad

Biyram, ein Kurde mit syrischem Pass, ist einer von ihnen. Früher, in seiner Heimatstadt Kobane, sei er nie mit dem Fahrrad gefahren, sondern Motorrad, sagt der Software-Entwickler. Seit fünf Monaten, seidem er in Deutschland ist, bringt ihn das alte blaue Fahrrad ans Ziel. Meist fährt er damit von Konz nach Trier oder Trier-Euren. Zusammen mit 19 weiteren Flüchtlingen nimmt Biyram am ersten Fahrradkurs für Flüchtlinge im Kreis Trier-Saarburg teil.
Mitglieder des Motorsportclubs (MSC) Konz, der Deutschen Verkehrswacht und Mitarbeiter der Caritas-Stelle Flucht und Asyl in Konz bringen ihnen die deutschen Verkehrsregeln bei. Der Kurs besteht aus theoretischen und praktischen Teilen. Die "Abschlussprüfung" ist eine gemeinsame Fahrradtour mit anschließendem Grillfest. Am Ende gibt's eine Urkunde.

Dinge wie das Erlernen der deutschen Sprache, die Wohnungssuche oder der Asylprozess seien zwar wichtiger, aber auch die Verkehrserziehung sei nötig, sagt Bernd Hermesdorf von der Caritas. Auf die Frage, ob die Schüler die deutschen Verkehrsregeln beherrschten, meint er: "Wir haben gesehen, dass sie das eigentlich nicht können."
Doch auf dem Verkehrsplatz in Konz fahren die Radfahrer schon sicher umher. Sie heben den Arm und machen den Schulterblick, wenn sie abbiegen wollen, halten an roten Ampeln und beachten die Rechts-vor-links-Regel. Wenn sie etwas falsch machen, ermahnt Wolfgang Hein sie. Der ehemalige Polizist hat große Erfahrung in der Verkehrserziehung. Er war bis Anfang April 21 Jahre lang als Verkehrserzieher der Polizeiinspektion Saarburg in den Schulen rund um Konz und Saarburg unterwegs. Nun hilft der frischgebackene Pensionär den Konzer Flüchtlingen.
Wegen der Sprachbarrieren kommunizieren die Beteiligten zum Teil mit Händen und Füßen. Hein spricht deutsch. Hermesdorf übersetzt auf Englisch und Biyram auf Arabisch. Die Stimmung ist trotzdem locker, es wird viel gelacht. Irgendwann läuft auch der Radverkehr auf dem Übungsplatz in geordneten Bahnen.

"Schon in Syrien viel Fahrrad gefahren"

Olaf Pelz vom Motorsportclub Konz und Hermann Elenz von der Ortsgruppe der Deutschen Verkehrswacht, die Mitinitiatoren des Kurses, blicken stolz auf ihre Schützlinge. Ihr Ziel: "Irgendwann wollen wir gemeinsam mit ihnen im realen Verkehr Fahrrad fahren." Das tun die meisten Flüchtlinge ohnehin schon längst, wenn sie alleine unterwegs sind: Ehsam Alsaleh zum Beispiel. Er kommt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus und lebt seit sieben Monaten in Deutschland. "Ich bin schon in Syrien viel Fahrrad gefahren", sagt der 35-Jährige. Vor allem wegen der vielen Militärkontrollen sei er dort mit dem Rad schneller vorangekommen als mit dem Auto. Er lobt die Fahrradwege und die Beschilderung in Deutschland: "Die Schilder sind verständlich für mich."
Karl-Peter Jochem, Polizeisprecher des Polizeipräsidiums Trier, hält Fahrradkurse für Flüchtlinge grundsätzlich für sinnvoll. Es müsse aber ein entsprechend ausgebildeter Instruktor die richtigen Inhalte vermitteln. Problematisch werde es, wenn Fahrräder benutzt werden, die nicht verkehrssicher seien, sagt Jochem. Diese Bedenken können die Konzer ausräumen. Laut Hermesdorf wurden die Räder der Flüchtlinge vor Beginn des Kurses durchgecheckt. Mit Wolfgang Hein haben sie zudem einen erfahrenen Kursleiter.

Laut Olaf Pelz vom Motorsportclub Konz werden immer noch Fahrräder und Fahrradhelme für Flüchtlinge gesucht. Wer helfen will, kann sich bei der Caritas-Stelle Flucht und Asyl unter Telefon 06501 94571-14 /-11 melden.Meinung

Radfahrend das Land kennenlernenAuf den ersten Blick hat die Verkehrserziehung nicht die höchste Priorität bei der Integration von Flüchtlingen. Der Spracherwerb, die Wohnungssuche und das Vermitteln europäischer Wertvorstellungen sind bestimmt wichtiger. Doch der Besuch beim Fahrradkurs zeigt, dass es auch hier nicht nur um das Verhalten auf den Straßen geht. Die radfahrenden Flüchtlinge setzen sich oberflächlich mit den Verkehrsregeln auseinander. Letztlich kommen sich bei dem Kurs die Flüchtlinge und ihre Gastgeber näher. Und am Ende ist bei allen Eigenarten klar, dass es doch die ein oder andere Gemeinsamkeit gibt. Und das wiederum ist ein wichtiger Schritt zur Integration. c.kremer@volksfreund.deExtra

 Der kurdische Syrer Riyadh Biyram ist einer der Teilnehmer des Radfahrkurses für Flüchtlinge in Konz (Bild links). Wolfgang Hein, ehemaliger Verkehrserzieher der Polizeiinspektion Saarburg, erklärt den Flüchtlingen die deutschen Verkehrsregeln (Bild rechts). TV-Fotos (2): Christian Kremer

Der kurdische Syrer Riyadh Biyram ist einer der Teilnehmer des Radfahrkurses für Flüchtlinge in Konz (Bild links). Wolfgang Hein, ehemaliger Verkehrserzieher der Polizeiinspektion Saarburg, erklärt den Flüchtlingen die deutschen Verkehrsregeln (Bild rechts). TV-Fotos (2): Christian Kremer

Foto: (h_ko )

Der Polizei liegen keine belastbaren Zahlen zu Verkehrsunfällen mit Flüchtlingen vor. Der aufenthaltsrechtliche Status von Ausländern werde bei der Verkehrsunfallaufnahme nicht erfasst. "Auch bei den Dienststellen gibt es wenig Erfahrungen in diesem Zusammenhang", führt Karl-Peter Jochem, Pressesprecher der Trierer Polizei, aus. "Gravierende Probleme sind nicht bekannt." Es komme nur vor, dass vereinzelte Flüchtlinge mit ihren Rädern auf Gehwegen unterwegs seien. Grundsätzlich agierten die Flüchtlinge im deutschen Straßenverkehr aber oft unsicher. Zum Teil sei das auf die hohe Verkehrsdichte zurückzuführen, die die Flüchtlinge aus ihren Heimatländern oft nicht kennen. "Zwar gelten in vielen der Herkunftsländer ähnliche Verkehrsregeln wie in Deutschland. Allerdings stellt sich die Verkehrslage dort aufgrund der herrschenden Umstände oftmals weniger geordnet dar", sagt Jochem. Die Polizei beteilige sich an der Verkehrserziehung der Asylbewerber insofern, dass sie ohnehin in Grundschulen und Kindergärten mit der Polizeipuppenbühne oder dem Fahrradunterricht präsent sei. "Besuchen Flüchtlingskinder diese Einrichtungen, nehmen sie natürlich auch an diesen Veranstaltungen teil", sagt Jochem. "Darüber hinaus läuft im Bereich des Polizeipräsidiums Trier jetzt gerade eine flächendeckende Zusammenarbeit mit den Kommunen und Trägern der Flüchtlingshilfe zum Thema Verkehrssicherheit an." Verkehrssicherheitsberater der Polizei informieren Flüchtlinge laut Jochem im Rahmen von Integrations- oder Sprachkursen zum Thema Verkehrssicherheit. Dazu habe die Polizei mehrsprachige Unterrichtsmaterialien vorbereitet. Früher habe es solche Veranstaltungen vereinzelt gegeben. "Sie werden jetzt koordiniert und flächendeckend durchgeführt", verspricht Jochem. cmk

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort