Abschied mit leisen Tönen

Trier · Er nimmt nur sehr verhalten Stellung zu seiner Zukunft als Dirigent. Aber alles deutet darauf hin, dass Triers Generalmusikdirektor Victor Puhl seinen Vertrag kein weiteres Mal verlängern will. Im Konzertprogramm 2016/17 sind Probedirigate bereits eingeplant.

Trier. Victor Puhl ist kein Mann großer Worte. Der Trierer Generalmusikdirektor (GMD) hält sich mit Äußerungen zurück - vor allem, wenn sie seine Person betreffen. Was er dann allerdings sagt, hat Gewicht. Und im Gespräch mit dem TV signalisiert er eindeutig, dass er über die Saison 2017/18 hinaus seinen GMD-Vertrag nicht verlängern will.Das Programm für die kommende Spielzeit (2016/17) sieht bereits Probedirigate vor - für die Nachfolge von Victor Puhl. "Finalist für Position des Chefdirigenten des Philharmonischen Orchesters" heißt es für das 6. und 7. Sinfoniekonzert - unauffällig und unmissverständlich. Selbstverständlich werde die Stelle ausgeschrieben, sagt Puhl. Und die beiden Probedirigate stünden am Ende eines mehrstufigen Auswahlverfahrens. Ob mit Puhls Abgang auch die GMD-Position wegfällt, bleibt offen - immerhin ist nur noch von einem "Chefdirigent" die Rede.2016/17 wird aller Voraussicht nach für Victor Puhl die vorletzte Spielzeit sein. Wie stellt er sich seine Zukunft nach dem Saisonschluss 2017/18 vor? Werkverträge ohne festes Engagement? Wieder eine GMD-Position? Das sei "relativ offen", deutet Puhl an. Und dann, fast wie ein vorzeitiger Nachruf: "Es war eine gute Zeit mit Orchester und Publikum." Von der Intendanz ist nicht die Rede. Angesichts dieser Personalie könnte das Konzertprogramm für die kommende Spielzeit rasch an den Rand der allgemeinen Aufmerksamkeit geraten. Unverdient, denn Puhl balanciert in der neuen Saison bemerkenswert sicher auf dem schmalen Grat zwischen populistisch und elitär. Immer wieder appellieren die Konzerte an die Neugier der Besucher - und zugleich an das Bedürfnis, sich mal zurückzulehnen im Besuchersessel. Zum Auftakt im 1. Sinfoniekonzert stellt Puhl George Gershwins "Amerikaner in Paris" neben die 2. Sinfonie von Leonard Bernstein und Ravels klangraffiniertes Orchesterstück "La Valse". Das 2. Konzert profitiert von der Prominenz Franz Grundhebers. Der wird Frank Martins "Jedermann"-Monologe singen, und nach der Pause steht Edward Elgars selten gespielte Sinfonie Nr. 1 an. Das 3. Konzert lockt mit Beethoven und der Fünften von Jean Sibelius, und das 4. Konzert wartet als Beitrag zum Reger-Jahr mit dessen Mozart-Variationen auf. Im 6. Konzert hat der Finalist im Rennen um Puhls Nachfolge Werke von Brahms, Nielsen und Schubert zu bewältigen, und für seinen Konkurrenten wurde im 7. Konzert ein Cocktail aus Carl Maria von Weber, Nino Rota und Beethovens Zweiter zubereitet. Zum Saisonschluss greift Puhl wieder zum Stab und dirigiert im 8. Konzert Erich Wolfgang Korngold, Peteris Vasks und die großartige 12. Sinfonie ("Das Jahr 1917") von Dimitri Schostakowitsch. Unter den meist jungen Solisten sticht die Pianistin Nino Gvetadze, Preisträgerin im Liszt-Wettbewerb Utrecht, heraus. Sie spielt im 3. Konzert Beethovens 4. Klavierkonzert. Neu ist das Konzept des 5. Konzerts. Unter dem Motto "Oper im Konzert" sind insgesamt drei Aufführungen von Bartoks "Herzog Blaubarts Burg" vorgesehen - ergänzt um das Adagio aus Mahlers 10. Sinfonie.Die Sinfoniekonzerte sind das Flaggschiff des Trierer Programms. Sie sind regelmäßig ausverkauft. Aber auch die Weltmusik zieht das Publikum an. Drei Konzerte sind für die kommende Spielzeit geplant. Außerdem begrüßt man wieder konzertant das Neue Jahr, hat zwei Family Classics parat und lädt fünfmal zu "Klassik um Elf" ein - diesmal unter anderem mit Musik von Carl Stamitz, Johann Christian Bach, Haydn und Mozart und jungen Solisten. Für den kultivierten Sonntagvormittag ist also gleichfalls gesorgt. Meinung

Ganz einfach: NormalitätWarum geht Victor Puhl Ende der Spielzeit 2017/18? Da werden die Spekulationen mal wieder üppig gedeihen. Ärger mit dem schwierigen Intendanten Sibelius? Probleme mit dem Orchester? Weitere Sprossen auf der Karriereleiter? Wahrscheinlich trifft nichts davon den wirklichen Sachverhalt. Dass Victor Puhl nach runden zehn Jahren seine Position aufgibt, ist nichts anderes als kluge Normalität. Die Ära von István Dénes gilt nach wie vor als warnender Hinweis. Der wurde 1995 nach einem exzellenten "Rigoletto"-Nachdirigat als Generalmusikdirektor installiert, glänzte etliche Spielzeiten lang mit hervorragenden Dirigaten, zerstritt sich aber zunehmend mit dem Orchester, das ihn zunächst entschieden auf den Schild gehoben hatte. Auch regelmäßig Vertragsverlängerungen kitteten den Riss nicht. Am Ende wurde Dénes nach 13 Jahren von der Stadt entlassen, und bei der Abschiedsfeier im Amphitheater rührte das Orchester keine Hand zum Beifall. So muss ein Chefdirigat nicht enden. Puhls Entscheidung ist nicht nur respektabel. Sie ist auch uneingeschränkt richtig. kultur@volksfreund.deExtra

Sinfoniekonzerte des Philharmonischen Orchester der Stadt Trier im Theater: 1. Konzert am 6. Oktober. Werke von Strawinsky, Bernstein, Gershwin und Ravel. Soheil Nasseri, Klavier, Leitung: Victor Puhl; 2. Konzert am 3. November. Werke von Barber, Martin und Elgar. Franz Grundheber, Bariton. Dirigent: Victor Puhl; 3. Konzert am 8. Dezember. Werke von Nielsen, Beethoven und Sibelius. Nino Gvetadze, Klavier. Leitung: Wouter Padberg; 4. Konzert am 19. Januar 2017: Werke von Mozart, Weber, Genin und Max Reger. Rie Koyama, Fagott. Leitung: Victor Puhl 5. Konzert am 16., 18. und 21. Februar 2017: "Oper im Konzert" mit Mahler und Bartoks "Herzog Blaubarts Burg". Bernadette Flaitz (Judith), Laslo Lukacz (Herzog), Leitung: Victor Puhl; 6. Konzert am 30. März 2017. Werke von Brahms, Nielsen und Schubert. Egor Egorkin, Flöte. Probedirigat für Nachfolge Puhl; 7. Konzert am 27. April. Werke von Weber, Rota und Beethoven. Norbert Anger, Violoncello. Probedirigat für Nachfolge Puhl; 8. Konzert am 8. Juni 2017. Werke von Vasks, Korngold und Schostakowitsch. Ye-Eun Choi, Violine. Leitung: Victor Puhl Neujahrskonzert am 1. Januar 2017: "Operette auf Reise". Leitung: Victor Puhl. Weltmusik Weltmusik I am 17. November: Terem Quartet "Aus der russischen Seele"; Weltmusik II am 9. März 2017: Klazz Brothers & Cuba Percussion "Tango meets Cuba" Weltmusik III am 12. Mai 2017: Greg Pattillo's Trio "Hip-Hop, Beatbox und World Music goes Classic. Family ClassicsI am 2. Oktober: "Die Abenteuer von Peer Gynt"; Family Classics II am 5. März 2017: "Goldlöckchen und die drei Bären"; Klassik um Elf am 4. Dezember sowie am 29. Januar, 23. April, 21. Mai und 25. Juni 2015, Promotionsaula. mö

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