Bänkelsänger-Bilderbogen

SAARBRÜCKEN. Eine Legende unter den Opern-Produktionen macht Station an der Saar: Das Staatstheater hat Strawinskys Oper "The Rake's Progress" in der Ausstattung des Malers David Hockney und der Regie von John Cox ins Programm genommen. Die Inszenierung ist ebenso faszinierend wie gewöhnungsbedürftig.

 Eine bärtige Ehefrau als Strafe für den Wüstling: Die "Türken-Baba" (Maria Pawlus)Foto: Thomas M. Jauk

Eine bärtige Ehefrau als Strafe für den Wüstling: Die "Türken-Baba" (Maria Pawlus)Foto: Thomas M. Jauk

Die Idee, die John Cox Mitte der Siebziger Jahre für sein Festival im britischen Glyndebourne entwickelte, hat auch nach zahllosen Gastspielen in aller Welt nichts von ihrer Strahlkraft verloren: Die Oper Strawinskys, die durch Kupferstiche von William Hogarth inspiriert wurde, von einem Maler wie David Hockney gestalten zu lassen, bleibt ein Geniestreich. Hockney entwirft einen federleicht wirkenden Bilderbogen, wie ihn einst Bänkelsänger zur Illustration ihrer Geschichten nutzten. Jedes Bühnen-Bild ein Meisterstück, jedes Kostüm, jedes Requisit ein kleines, sorgsam gestaltetes Kunstwerk. Schon die Zwischenvorhänge bieten ein filigranes Spiel mit Licht und Schatten, und die Kulissen lassen einen Vorstellungsbesuch auch für denjenigen lohnenswert erscheinen, den keine musikalischen Gründe in die Oper locken können. "The Rake's Progress" bewegt sich thematisch irgendwo zwischen einer Art "Faust light" und Don Giovanni. Strawinsky nimmt die klassische Nummern-Oper Mozart'scher Prägung auf, mal bewundernd nachahmend, mal schillernd karikierend. Der englische Dichter W. H. Auden hat das Libretto zu der von Hockney als "Fabel" annoncierten Geschichte geschrieben. Sie handelt vom jungen Taugenichts Tom Rakewell, der, statt seine ihm treu ergebene Liebste Ann Trulove zu ehelichen, einem teuflisch schlechten Ratgeber namens Nick Shadow nach London folgt, wo er in einem Sumpf von Rotlicht-Milieu, Schwindelgeschäften und Rauschmitteln versackt, eine bärtige Türkin vom Jahrmarkt heiratet, was ihn letztlich - die Moral muss ja schließlich stimmen - erst um den Verstand und dann ums Leben bringt. John Cox hat das wohl einst als Commedia dell'arte-Stück inszeniert, mit höchst stilisierten Figuren, die sich in einem höchst stilisierten Ambiente bewegen. Das hat Charme, auch noch nach einem Vierteljahrhundert, aber Cox-Mitarbeiter Patrick Young setzt die artifizielle Linie bei seiner szenischen Einrichtung in Saarbrücken nicht konsequent um. Da stehen grandios arrangierte Szenen wie die Auktion, bei der Rakewells Eigentum unter den Hammer kommt, neben planlos wirkendem Rampengesang, bei dem die Sänger manchmal nicht recht zu wissen scheinen, ob sie auf Charakterzeichnung oder auf komödiantisches Chargieren setzen sollen. Dennoch lässt das Saarbrücker Ensemble kaum zu wünschen übrig. Das beginnt bei einem vorzüglich aufgelegten Chor, der seinen heiklen, viel Koordination erfordernden Part bravourös meistert. Gary Bennett liefert einen stimmlich gut aufgelegten, den komplizierten Anforderungen gewachsenen Tom Rakewell, bei dem allerdings die permanente Suche nach dem Sichtkontakt mit dem Dirigenten den darstellerischen Eindruck etwas schmälert. Yaron Windmüller ist ein schicker, elegant singender Nick Shadow, dem freilich die teuflische Dämonie, mit der etwa ein Bryn Terfel die Szene dominiert, völlig abgeht. Innig, naiv, bezaubernd: Stefanie Krahnenfelds Ann Trulove. Und Maria Pawlus' Spiel- und Gestaltungsfreude findet in der bärtigen "Türken-Baba" ein ideales Betätigungsfeld. Leonid Grin und das Saarländische Staatsorchester bringen die vertrackte Partitur pannenfrei über die Runden. Es wird aufmerksam, aber auch angestrengt musiziert. Da lässt sich mit wachsender Routine noch mehr herausholen - das Publikum indes war mit dem Gebotenen vollauf zufrieden. Weitere Vorstellungen: 9., 14., 19. und 22. Februar; Info: 0681/32204.

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