Das Ende der Gemütlichkeit

Trier · Es war ein Glücksgriff. Mit dem Preisträger des kanadischen Banff-Quartettwettbewerbs hatte die Kammermusikalische Vereinigung für das 3. Konzert im Kurfürstlichen Palais ein exzellentes Ensemble engagiert. Das bestach mit technischer Überlegenheit, vor allem aber mit musikalischer Individualität.

Trier. Es war, als sei die Luft im Trierer Kurfürstlichen Palais elektrisch geladen. Vom aufblühenden Anfangsmotiv an entfaltet Mozarts Streichquartett KV 387 beim jungen, preisgekrönten Rolston-Quartet eine Strenge, eine Intensität, die so schnell nicht loslassen. Im zweiten Satz lässt das harsche, fast abweisende Moll-Trio aufhorchen, im dritten der nachgerade romantischer, weit ausholende Gesang. Und den vierten Satz mit seiner gelehrten Polyphonie musizierten die Rolstons so entschieden, dass das 200-köpfige, durchweg Kammermusik-erfahrene Publikum vorzeitig applaudierte und Mozarts charmante Schlusspointe weitgehend unterging. Dieses Quartett bringt zum Klingen, was die Zeitgenossen an Mozart faszinierte, aber auch in Erschrecken versetzte: die Kompromisslosigkeit seiner Kunst.
Auch bei Bartok und Beethoven wurde klar: Beim Rolston-Quartet hört die Gemütlichkeit auf. Das Ensemble rückt Bartoks 1. Streichquartett in unmittelbare Nachbarschaft zu Schönberg. Es steigert Bartoks Musik zu expressionistischer Härte, modelliert die polyphone Stimmenvielfalt heraus, setzt die vier Sätze übergangslos nebeneinander, entfaltet in den Mittelsätzen ein fast hymnisches Pathos - und bringt dann noch die Konzentration auf für die wunderbar leisen, kantable Mittelabschnitte im zweiten Satz. Musizieren frei von Klischees auch nach der Pause. Die Rolstons geben dem Beethoven-Quartett op. 59,2 einen ganz eigenen, ganz ungewohnten Tonfall mit. Es ist nicht mehr die kleine Schwester des weitaus berühmteren ersten Rasumowsky-Quartetts (F-Dur, op. 59,1), sondern ein Werk eigenen Charakters. Bei den Rolstons klingt diese Musik, als hätte Bartok Beethoven beeinflusst und nicht umgekehrt. Nicht klassizistische Mäßigung waltet, sondern eine zupackende, geschärfte Energie. Der ausdrucksschwere, langsame Satz "molto di sentimento", der tragische Unterton im folgenden Allegretto mit seiner befreienden E-Dur-Episode, schließlich das Finale mit seinen perfekt ineinander greifenden Motiven - beim Rolston-Quartett klingt Beethoven ganz neu und ganz jung. Der helle, transparente, von allem Satten und Fülligen freie Eigenklang dieses Quartetts passt dazu perfekt. Ein großes, ein anspruchsvolles und an Entdeckungen reiches Konzert! mö

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