Das Herz des Werkes finden

Mit dem Dirigenten, Chorleiter und Musikpädagogen Manfred May feiert einer der wichtigsten Motoren des Trierer Musiklebens am morgigen Donnerstag seinen 70. Geburtstag. Und zwar so, wie man ihn kennt: Mit den Schlussproben für ein großes Konzert am Sonntag.

Trier. Wer ermessen will, was Manfred May für die einheimische Musikszene bedeutet, braucht sich nur einen Moment lang vorzustellen, was es alles nicht gäbe, wenn es ihn nicht gäbe. Ganz sicher nicht den Konzertchor, den er 1964 als junger Musiklehrer am MPG gründete. Ebenso wenig den Kinderchor, ohne den das Trierer Theater von Carmen bis Tosca in die Röhre schauen müsste, wann immer Kinderstimmen gebraucht werden. Weltstars wie Diana Damrau wären nie zu Liederabenden an die Mosel gekommen, die großen Komponisten der geistlichen Musik an Trierer Fürstenhöfen würden bis heute vergeblich ihrer Wiederentdeckung harren, und ein halbes Dutzend inzwischen arrivierte Bühnenkünstler wäre ohne seine Musiktheater-AG womöglich Zahnarzt oder Betriebswirt geworden. Musiker, Pädagoge und Mannschaftsspieler

Erstklassige Musiker gibt es viele, und begabte Pädagogen auch. Nur, dass beides selten zusammenkommt. Manfred May, der positiv Verrückte, besitzt das rare Talent, Menschen da aufzunehmen, wo sie stehen und sie dann an anspruchsvolle Aufgaben heranzuführen. Als passionierter Handballer hat er das Mannschaftsspiel gelernt, als Lehrer und Fachleiter das Motivieren, und als studierter Kapellmeister das musikalische Handwerk. Ein Glücksfall für Trier - was die Stadt schon 1994 mit ihrem Ehrenbrief schwarz auf weiß bestätigt hat.Dass er ein großer Freund der musikalischen Moderne wäre, kann man nicht direkt behaupten. Auch wenn er ein Oratorium des Trierer Komponisten Heinz Heckmann uraufführte. Mays ganzes Herz gilt der (meist angenehm weltlichen) Interpretation großer geistlicher Themen und Formen, egal, ob Oratorien, Passionen oder Messen. Händels "Jephta" hat er für Trierer entdeckt, die Evangelisten ausgelotet, Tippetts "Child of our time" populär gemacht. Gerne durften es auch lohnenswerte Ausgrabungen wie Schumanns "Faust-Szenen" sein. Den Drang zu Neuem und Experimentellem lebt Manfred May eher bei seinen Spielstätten und Aufführungs-Formen aus. Das Amphitheater weckte er schon vor den Antikenfestspielen aus langem Schlaf, die Etablierung von St. Maximin ging nicht zuletzt auf sein Konto, und das erste große Konzert in der Arena machte - natürlich - der Konzertchor. Gemeinsam mit den Moselfestwochen installierte er den Innenhof des Kurfürstlichen Palais an der Rückseite der Basilika als klangschönste Open-Air-Stätte weit und breit. Sogar Opern wagte er dort erfolgreich mit seinem Chor.Bleibt noch der Kulturpolitiker May. Und der kann schon mal kräftig schimpfen, auf "hemmungslosen Kulturkommerz" und "austauschbare Tourneeveranstaltungen", die der einheimischen Szene das Wasser abgraben. Dagegen, das weiß der Jubilar, hilft kein Protest, sondern nur Qualität. "Manfred May", schrieb einst TV-Kritiker Martin Möller, "findet das Herz des Werkes". Jubiläumskonzert Passend zum Geburtstag kommt Manfred Mays Jugendfreund, Weggefährte und Handball-Widersacher Franz Grundheber am Sonntag für ein großes Konzert nach Trier. In der Paulus-Kirche wird zu deren 100-jährigem Bestehen Mendelssohns Paulus-Oratorium aufgeführt. Zu den Solisten gehören auch Bayreuth-Star Judith Nemeth und der Tenor Helmut Wildhaber. Es singt der Konzertchor, es spielen die Trierer Philharmoniker. Konzertbeginn ist am 16. Dezember um 18 Uhr. Karten bei der Dominformation sowie den Musikhäusern Reisser und Kessler.

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