"Der Chor erlebt sich ganz anders"

TRIER. Wenn ein profilierter Laienchor ein Abenteuer sucht, begibt er sich auf die Opernbühne. So wie derTrierer Konzertchor, der mit großem Aufwand und noch größerem Engagement Henry Purcells Oper "Dido undAeneas" im Hof des Kurfürstlichen Palais produziert - komplett in Eigenregie.

"Das Ganze bitte noch einmal, aber diesmal mit dem richtigen Gesichtsausdruck!" Die kategorische Dienst-Anweisung von Regisseur Andreas May entlockt dem einen oder anderen Sänger des Trierer Konzertchors ein leises Stöhnen. Mit aufgespannten Regenschirmen simuliert man ein Unwetter, muss dabei höchst komplizierte Laufwege zurücklegen, den Dirigenten nicht aus dem Blick verlieren, die Töne treffen, den Text exakt artikulieren. Alles gleichzeitig. Und das Ganze dann auch noch mit genau jenem Gesichtsausdruck, den der Regisseur gerne haben will.Arbeit mit den Profis ist für Laien faszinierend

Und trotzdem: Die Stimmung bei den Proben für "Dido und Aeneas" ist prächtig. Seit Freitag ist man täglich auf der Bühne, und auch die Besprechung nach dem fünften Probentag endet mit fröhlichem Gelächter. "Der Chor erlebt sich ganz anders", sagt eine langjährige Aktive. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Solisten-Profis wie Eva-Maria Günschmann, Chri-stina Clark und Tobias Scharfenberger ist faszinierend für die "Laien"."Bis jetzt hat's total Spaß gemacht", sagen auch Hanna, Andrea und Margarete, die Jüngsten am Set. Die Schülerinnen vom Angela-Merici- und Max-Planck-Gymnasium haben schon beim "großen" Stadttheater Erfahrung gesammel - in kleinen Kinderrollen. "Aber diesmal ist es anders, wir sind die ganze Zeit dabei", erzählen sie begeistert. Am schwierigsten sei es, "das Singen und das Spielen unter einen Hut zu kriegen". Da unterscheiden sich die "Küken" nicht von den erfahrenen Sängern. Immer wieder erläutert Andreas May die darstellerischen Aufgaben, fängt sich auch manchen skeptischen Blick ein. Der eine oder andere zweifelt an der vergleichsweise modernen Inszenierung. "Ob das Publikum das auch kapiert?" Die Frage steht immer wieder im Raum.Dabei ist die Handlung recht simpel, das Libretto geht locker auf gerade mal fünf Din-A-4-Seiten. Komponist Henry Purcell und Dichter Nahum Tate haben eine Episode der griechischen Sagenwelt verarbeitet: Der Trojanerfürst Aeneas, auf der Flucht nach dem verlorenen Krieg, kommt nach Karthago, wo er sich in Königin Dido verliebt - und sie sich in ihn. Missgünstige Geister täuschenAeneas einen Abzugsbefehl der Götter vor, er will gehorchen, Dido stirbt vor Gram.Uraufgeführt wurde das Stück 1689 in einem Mädchenpensionat. Mays Inszenierung nimmt die Idee auf, vermischt die Schul-Aufführung mit der Opernhandlung. Die Schüler übernehmen die Rollen, zeigen damit dem Publikum, wie zeitgemäß die angesprochenen Probleme sind.Vor der Aufführung das Programmheft studieren

"Nur muss es das Publikum auch verstehen", sagt Richard Krings und verweist auf das informative Programmheft, dessen Lektüre sich vor der Vorstellung empfiehlt.Nicht nur das Programmheft macht der Chor selbst. Für Hermann Münzel und einige seiner Sänger-Kollegen hat der Probentag schon am frühen Morgen begonnen - auf der Autobahn. Per LKW holt man in Gelsenkirchen bei einem Spezial-Unternehmen die Scheinwerfer und Licht-Elemente ab, das spart Kosten.Mit 50 000 Euro schlägt die Produktion zu Buche, nur knapp die Hälfte ist über Sponsoren abgedeckt. Das Risiko liegt beim Chor. "Da schlagen alle Zusatzkosten ins Kontor", sagt Dirigent und Initiator Manfred May. So baut man selbst an der Bühne mit, verlegt Teppichböden - und betet für gutes Wetter. Denn wenn am Freitag und Samstag das späte Sonnenlicht durch die rückwärtigen Fenster der Basilika schimmert, dann stimmt nicht nur die Atmosphäre im Innenhof des Kurfürstlichen Palais - und es stimmen hoffentlich auch die Zuschauerzahlen.Aufführungen am 29. und 30. August, jeweils 21 Uhr, kombiniert mit Händels "Feuerwerksmusik". Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung in St. Maximin statt. Infos und Karten unter Tel. 06531/3000, im Internet: www.moselfestwochen.de und www.konzertchor-trier.de

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