Des großen Meisters ruhmreiches Erbe

TRIER. Picasso recyceln will die Trierer Gesellschaft für Bildende Kunst in ihrer neusten Schau im Palais Walderdorff. Dabei gehört Picasso gar nicht in den "Gelben Sack".

"Aus alt mach neu" hieß das früher. Heute spricht man von recyceln. Das Verfahren ist dasselbe geblieben. Was nicht mehr gebraucht wird, aber noch verwertbar ist, wird zu neuen Produkten umgearbeitet. In der Regel beschränkt sich die Wiederverwertung auf alltägliche Materialien. Nicht so bei der Gesellschaft für Bildende Kunst. Picasso und sein Werk zu recyceln, hat sich im Rahmen ihrer jährlichen Gemeinschaftsaktion diesmal der Trierer Kunstverein aufgemacht.Ein großes, ehrgeiziges Projekt

"Lieber Freund, man greift nicht nach den Sternen", die Warnung aus der Operette fällt einem bei solch ehrgeizigem Vorhaben ein. Und wenn man‘s doch tut, muss man damit rechnen, sich gewaltig die Finger zu verbrennen. Was hier geschehen ist. Im Klartext: das Ergebnis dieser Aktion erklärt eindeutig das Experiment für gescheitert. Fast alle der 20 beteiligten Künstler (Mitglieder des Vereins und einige Gäste) widerlegen mit ihren Arbeiten, was zu beweisen war: Nämlich, dass Picasso sein Verfallsdatum überschritten hat. Im Gegenteil: Was sich in den meisten dieser Arbeiten künstlerisch offenbart, ist nichts anderes als der vergebliche Anspruch auf Picassos ruhmreiches Erbe.Wie damals als es im Kunstunterricht hieß: "Bearbeiten Sie ein Motiv von Picasso!", kommt der größte Teil der Schau daher. Die Pressemitteilung der Gesellschaft hat schon recht: Seit jeher haben Künstler Versatzstücke aus anderen Epochen und Stilen in ihr Werk eingearbeitet und weiterverarbeitet - auch der Kunstgigant. Gemeinhin nennt man das Zitieren. Mit Recyceln hat das nichts zu tun. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wer zitiert, wirkt mit am Bild zeitloser Gültigkeit. Und auch sonst ist Weiterverwendung im Alltag etwas anderes als in der Kunst.Wer sich wie in Trier die Faßbenders, sein Material auf dem Schrottplatz besorgt, recycelt nicht. Er verändert lediglich im Wortsinn das Ansehen unserer ganz banalen Erfahrungswelt. Wirklich recycelt ist bei dieser Ausstellung eigentlich nur der gemeinsame Bildträger eine bunte, wahlweise schwarz grau gesprenkelte "Hammamit"-Platte, die aus dem Inhalt "Gelber Säcke" hergestellt wurde."Sie stehen hier. Kein Weg zurück zu Picasso" heißt die gelungenste Arbeit dieser Aktion. Eine Staffel Glasplatten mit dem Konterfei des Künstlers haben Achim Algner und Albrecht Wien im Dunkel einer Kabine aufgereiht. Licht fällt durch das Glas. Nach und nach verschwindet das Gesicht des Meisters, bis es zu einem grünen mystischen Schimmer gerinnt. Und auch Andreas Jakobs der Vater dieser Ausstellungsidee bemüht sich um Abstand von Picasso. Gleichwohl: Indem er sein Porträt mit gesellschaftstragenden "Größen" wie Dieter Bohlen und Nachrichten aus dem Internet umgibt, beweist er, dass Picasso sich noch überall sehen lassen kann.Tücke oder Ironie des Projekts: Nicht die Kunst ist in dieser Schau das wirklich Interessante, sondern ihr didaktischer Nebeneffekt. Die Picasso-Aktion haben die Veranstalter nämlich zum Anlass genommen, Schüler der Trierer Schulen mit dem Thema Kunst und Kunstbetrieb zu befassen. So hatten denn auch Schülerinnen des Trierer Angela-Merici-Gymnasiums mit einer Performance am Eröffnungsabend mitgewirkt. Engagiert über die Schau diskutiert, wurde dabei auch. "Ich möchte, dass die Schüler die Wichtigkeit von Kunst erkennen", sagt Kunsterzieher Achim Algner, "aber sie sollen auch lernen, die Mechanismen des Kunstbetriebs zu durchschauen".Picasso ist tot, es lebe Picasso

Auch der gelernte Psychologe Jakobs wünscht sich, dass Kunst viel mehr zum selbstverständlichen Thema des täglichen Lebens wird. Und ansonsten: Picasso wurde hier nicht recycelt. Eher haben sich die meisten Künstler über Picasso selbst recycelt, was übrigens Michael Blaszczyk und sein Sohn Felix mit ihrer "Werkbank" treffend ins Bild gesetzt haben. Weiter gilt: Picasso ist tot, es lebe Picasso.Bis 24. August, Galerie Palais Walderdorff, Domfreihof Trier, Dienstag-Freitag 11-13 und 14-17 Uhr, Samstag und Sonntag10-13 Uhr.

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