Die Magie der Magnete

LUXEMBURG. Viel Pop, ein bisschen Trip Hop, etwas Tanzflur: Das englische Duo "Lamb" trieb das Publikum im ausverkauften Luxemburger "Atelier" zu Begeisterungsstürmen.

 "Lamb"-Sängerin Louise Rhodes beim Auftritt im "Atelier".Foto: Ralf Heid

"Lamb"-Sängerin Louise Rhodes beim Auftritt im "Atelier".Foto: Ralf Heid

Irgendwann in der Kindheit lügt sich eine Lebensweisheit ins Gehirn: Gegensätze ziehen sich an. Das klingt gut. Und bei den Magneten im Sachkunde-Unterricht klappt das auch. Später erklärt einem die Realität, dass Menschen nichts mit Magneten zu tun haben wollen. Normalerweise zumindest. Dafür ziehen Ausnahmen manchmal magisch an. Samstagabend im ausverkauften Luxemburger "Atelier": "Lamb"-Sängerin Louise Rhodes singt als Zugabe "Lullaby", ein minimalistisches Liebeslied vom Album "Fear of Fours". In der ruhigsten Passage bringt sie Andy Barlow - "Lamb"-Sound-Tüftler, Disco-Kind und Klassenclown - aus dem Konzept. Rhodes muss lachen, während sie "just be with me" (sei bei mir) singt. Es ist auch komisch. So funktioniert "Lamb", das Duo aus Manchester, bei dem in Luxemburg zusätzlich ein Gitarrist, ein Schlagzeuger und ein Bassist mit dabei sind: Rhodes singt mit viel Gefühl und warmem Timbre, meist poppig, gelegentlich jazzig angehaucht. Sie veredelt Stücke wie das aus der Fernseh-Werbung bekannte "Gabriel", das Opel einige Meriva extra verkauft haben dürfte ("I can fly…"). Barlow fügt die Kanten und Tiefen hinzu: ein paar Breakbeats im Hintergrund, schrille Synthesizer, so dass sich "Lamb" auf der Tanzfläche ebenso genießen lässt wie im Wohnzimmer. Ohne einander geht es nicht: Stücke mit stiller Schönheit und Widerhaken - "Lamb" wird nie seicht und bleibt modern, ohne dabei "Zeitgeist" zu schreien. Das geht nur, weil sich die beiden unterschiedlichen Charaktere Rhodes und Barlow ergänzen. Den Engländern merkt man an, dass sie zwischen den Kurz-Auftritten auf den großen Open-Air-Festivals richtig Lust auf den kleinen Club-Gig in Luxemburg haben: 90 Minuten lang verbreiten sie beste Stimmung im "Atelier". Da macht es auch nichts, wenn Barlow etwa beim lange nicht mehr gespielten "Gold" die Tonart vergisst - ein perfektes Konzert gibt es nur ohne Perfektionismus. Bei "Sun", einem Stück vom neuen Album "Between Darkness and Wonder", schafft es Barlow gar, das Publikum zu einer "alle hinsetzen, dann gemeinsam in die Luft springen"-Choreographie zu animieren, ohne dass es peinlich wirkt. Was wäre, wenn sich Barlow und die beiden vor zehn Jahren nicht begegnet wären, wenn sie nicht gleich mit ihrem Trip-Hop-Debüt die Szene aufgemischt hätten? Louise Rhodes wäre vielleicht die bessere Norah Jones geworden, ein gefundenes Fressen für satte Mainstreamer. Andy Barlow hätte sich dagegen auf Ibiza niedergelassen, wäre morgens aus dem Club geschwankt und hätte englische Rentner zum Frühstücks-Rave animiert. Alles eher ungesund undtraurig. Gut, dass man Magnete manchmal doch verstehen kann.

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