Die Masse macht‘s. Macht‘s die Masse?

KOBLENZ/MAINZ/TRIER. Museen, so sie nicht mit spektakulären Events punkten können, haben es schwer, Besucher anzulocken. Eine Idee aus Mainz, vor gut einem Jahr formuliert, sollte zumindest die rheinland-pfälzischen Landesmuseen anspornen, die Zahlen wieder nach oben zu bringen.

Drei Landesmuseen gibt es in Rheinland-Pfalz. Seit Mitte der 1990er Jahre verbuchen die Häuser in Koblenz, Mainz und Trier rückläufige Besucherzahlen. Da trat man im Frühjahr vergangenen Jahres im Kultusministerium Mainz mit einer Idee an die Öffentlichkeit, die flugs in die Tat umgesetzt wurde: Die Museen sollten nach einer Erfolgsquote alimentiert werden. Wer die meisten Besucher anlockt und die meisten Publikationen vorweisen kann, bekommt den größten Batzen vom Kuchen. Fleißkarten aus Mainz? Die Behörde als Oberwächter? Das muss, sollte man meinen, den Museumschefs doch mächtig gegen den Strich gehen. Halb so wild: Michel Au vom Kultusministerium in Mainz macht im Gespräch mit dem TV klar, dass nicht der Gesamtetat eines Hauses zur Disposition steht, sondern etwa zehn Prozent der Fördersumme von insgesamt rund zehn Millionen Euro, mit denen die drei Museen alimentiert werden. Mithin würden nur gut 900 000 Euro nach den neuen Kriterien verteilt. Und die Motivation der Museen, so Au, sei spürbar gestiegen, wenn es darum gehe, Besucher anzulocken. Für das Landesmuseum Trier hat er auch gleich Zahlen parat. So habe das Haus 2004 im Vergleich zu 2003 3,7 Prozent mehr von dieser Fördersumme erhalten. In konkreten Zahlen bedeute dies: 2003 flossen 310 000 Euro aus dem Sondertopf, ein Jahr später 321 000 Euro. Überhaupt sei der Vorschlag aus der Landeshauptstadt von Anfang an in den Ausstellungshäusern durchaus positiv aufgenommen worden. Merkwürdig: Aus den Museen selbst hört man ganz andere Töne. Entsetzt sei er gewesen, erzählt Norbert Suhr, stellvertretender Leiter des Mainzer Landesmuseums, als die Botschaft aus dem Ministerium auf den Schreibtisch flatterte. Man habe sich im Haus die Köpfe heißgeredet, ob man Leistung und Qualität eines Museums nur an den Besucherzahlen und der Menge der Publikationen festmachen könne und sei einmütig zu dem Schluss gekommen: natürlich nicht. Aus Trier klingt es ähnlich: Begei-stert sei man über den Mainzer Vorschlag nicht gewesen, unterstützt Lothar Schwinden die Meinung seines Kollegen Suhr. Nicht zuletzt deshalb, weil das Haus einen besonders schmerzlichen Publikumsverlust habe hinnehmen müssen. Kamen bis Mitte der 90er Jahre noch rund 120 000 Besucher, so ist die Zahl seit 1995 - in jenem Jahr wurde erstmals Eintritt verlangt - auf 66 000 im vergangenen Jahr gesunken. Allerdings ist das kein Trierer Phänomen: Über sinkende Ticketverkäufe klagen auch die entsprechenden Häuser in Koblenz - dessen Chef Thomas Metz derzeit im Urlaub ist; seine Mitarbeiter wollten sich zu der Problematik lieber nicht äußern - und Mainz. (Zum Vergleich: Im Museumsrekordjahr 2001 strömten 111 Millionen Besucher in die 6000 deutschen Museen.) Lothar Schwinden befürchtet außerdem übereinstimmend mit seinem Kollegen, dass mit der Schwerpunktverlagerung auf die "Kopfpauschale" die Bereiche Sammeln, Bewahren und Forschen, die Kernaufgabe eines jeden Museums, zugunsten der "Vermarktung" in den Hintergrund rücken. Auf diesem Gebiet leisteten nämlich alle drei Museen vorzügliche Arbeit, betonte der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Roland Härtel. Die Schwachstelle liege eben beim Vermitteln der Schätze. Die müssten den Besuchern so schmackhaft gemacht werden, dass sie die Museumskassen stürmen. Geringe Besucherzahlen - nur eine Frage liebloser oder gar unqualifizierter PR und Öffentlichkeitsarbeit? Oder haben Musentempel als Freizeitgestalter einfach nur schlechtere Karten? Und wie ist es, wenn ein Museum vorübergehend schließen muss so wie das Trierer, in das ab November wegen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten kein Besucher seinen Fuß setzen kann und dem dann rund 90 Tage in der Besucherstatistik fehlen werden? Auch in Mainz befinde man sich derzeit in einer Ausnahmesituation, erläutert Suhr. Das Museum sei zwar geöffnet, aber Umbau- und Erweiterungsarbeiten lassen den Besuch momentan nicht gerade zu einem kulturellen Hochgenuss werden. Also noch mal Abstriche bei den Besuchern. Schlägt sich das in der Statistik nieder? Werden die Häuser im Bemühen, attraktiver zu werden, doppelt bestraft? Keineswegs, beruhigt Michael Au. Wegen solcher Maßnahmen würden einem Haus keinesfalls Nachteile entstehen.

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