Die Rache der Biedermänner

PRÜM. Zwei eindrucksvolle Chronisten deutscher Geschichte kommen zum Eifel Literatur Festival. Aus seinem druckfrischen Roman "Letzte Grüße" liest Walter Kempowski in Prüm. In "Der vierte Zensor" nimmt Erich Loest in der Schlosskapelle in Malberg sein Publikum in den Kulturbetrieb der ehemaligen DDR mit.

Die Reise von Deutschland nach Deutschland ist immer noch weit. Zwei Schriftsteller, die ihr Leben lang dorthin unterwegs waren, sind Walter Kempowski (Jahrgang 1929) und Erich Loest (1926). So manches haben die beiden Autoren gemein: die Kindheit in der ehemaligen DDR, die Jahre als politische Häftlinge im Zuchthaus Bautzen und vor allem die Rolle als Chronisten und Kommentatoren deutscher Geschichte und deutscher Befindlichkeit. Wie ehedem Kempowski hatte sich auch Loest 1981 auf den Weg nach Westen in Richtung Freiheit gemacht. Freilich: Dass auch die verfasste Demokratie nicht vor Engstirnigkeit, Neid, Geldgier und Duckmäuserei schützt, mussten beide bald zum eigenen Leidwesen erfahren. Loest ist inzwischen zurückgekehrt nach Leipzig. Der Macht der Verlagskonzerne versuchte er sich durch seinen Selbstverlag "Linden" zu entziehen. Kempowski hingegen hat sich im niedersächsischen Kreienhoop sein eigenes Literaturreich geschaffen. "Heile Welt" heißt einer seiner ironischen Buchtitel. Die gibt‘s nicht, belegt der Autor mit böser Zunge und bisweilen fast zelbstzerstörerischem Vergnügen. Auch wenn es ihm und uns hoffnungsmäßig noch vergleichsweise "gold" ging, als er mit seiner Familiensaga "Tadellöser & Wolff" auf einen Schlag berühmt wurde. Bis heute bleibt es Kempowskis Rolle, den deutschen Biedermännern der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit einen gnadenlos blanken Spiegel vorzuhalten. Sein Monumentalwerk "Echolot" ist ein riesiges Kompendium scheinheiliger Gewalt und Beschränktheit. Die Biedermänner jeglicher Couleur rächten sich übrigens. "Von vielen werde ich bis heute boykottiert." Eindeutig ist die Bitterkeit, mit der Kempowski kommentiert, dass man ihm bis heute die großen Literaturpreise vorenthalten hat. "Das Schlimmste für einen Autor ist, recht zu behalten." In Kempowskis literarischem Spiegel taucht immer wieder das Bild der eigenen Familie und das seines alltäglichen Umfeldes auf. Schließlich bleibt der Autor ein autobiographischer Chronist. Auch in seinem neuen Buch "Letzte Grüße", das am 18. September erscheint. Nach Amerika zieht es darin einen alternden Schriftsteller - man muss nicht übermäßig viel Phantasie haben, um Kempowski wieder zu erkennen. Doch der frustrierende Kulturbetrieb der Neuen Welt unterscheidet sich kein bisschen von dem der Alten. Walter Kempowski liest am 19. September um 20 Uhr im Regino-Gymnasium in Prüm. Obrigkeiten war auch Erich Loest nie hörig- manchmal vielleicht etwas blind idealistisch. Erst im vorigen Jahr legte sich der Autor von "Nikolaikirche" und "Reichsgericht" mit Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki an, als der keinen einzigen DDR-Autor in seinen "Kanon der deutschen Literatur" aufgenommen hatte. In seinem neuen Roman "Der vierte Zensor" geht es um Macht in einer Diktatur und die "Torheit Mächtiger". Am Beispiel des Schriftstellers L. (dahinter verbirgt sich der Fall Wolf Biermann) will Loest "Kulturpolitik in der ehemaligen DDR" darstellen. Loest ist ein genauer Beobachter und ein offensichtlich illusionsloser Kenner menschlicher Statur. Schlicht, ohne jede Aufgeregtheit - mehr steht den meisten menschlichen Dingen am Ende auch nicht an - schildert er seinen Fall. Dabei entsteht ein eindringliches Szenarium der Kultur unter der Diktatur. Viel wohltuende ironische Distanz, vielleicht auch Altersweisheit, ist beim Erzähler Loest inbegriffen. Er ist am 18. September um 20 Uhr in der Schlosskapelle Malberg zu Gast. Der TV verlost jeweils drei mal zwei Eintrittskarten für beide Lesungen. Beantworten Sie folgende Frage: Wie heißen die beiden Autoren, die in dieser Woche beim Eifelliteratur-Festival zu Gast sind? Heute können Sie bis 24 Uhr unter der Nummer 0190/164470 anrufen.

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