"Es ist nicht lustig, mich zu treffen"

LONDON. Als stummer, einsiedlerischer Tolpatsch "Mr. Bean" erlangte Komiker Rowan Atkinson (47) Weltruhm. Nun liefert der Brite in der Titelrolle seines neuen Kinofilms "Johnny English" eineParodie auf populäre Geheimagenten ihrer Majestät ab.

Mr. Atkinson, als Gast in Thomas Gottschalks Show "Wettendass..." mussten Sie miterleben, wie ein deutscher Schauspielermit entblößtem Gesäß durch den Saal flitzte. Stellen Sie sich soden deutschen Humor vor? Atkinson: Nein, ich habe das nicht als den typischen Humor aufgefasst. Ich mag Thomas Gottschalk, er ist sehr trocken und klug. Sicher würde es in Großbritannien Leute geben, die in dieser Szene den typischen deutschen Humor sehen würden: groß und dumm. Aber das ist nicht meine Sicht. Ich sehe es als einen von vielen Aspekten des deutschen Humors.

Welche Rolle spielt Humor in Ihrem täglichen Leben?

Atkinson: Er ist sehr wichtig. Ich gehe zwar nicht sehr mit der Zeit, hänge mich nicht an Comedy-Trends. Aber ich habe einen guten Weg gefunden, um mit aktuellen Themen umzugehen, dem Irak-Krieg zum Beispiel oder den 11. September. Ich suche nach der Komik in sehr tragischen Situationen. Ich finde es sehr wichtig, dass man dazu fähig ist, über bestimmte Dinge zu lachen. Was mich fasziniert und mein Gehirn sehr beschäftigt, ist die Frage, wie und wann es lustig werden kann. Es gehört zu meinem Job, überall das komische Potential zu entdecken, weil es den Menschen hilft.

Planen Sie Ihre Sketche exakt oder bleibt Raum für Improvisationen?

Atkinson: Es gibt spontane Ideen während des Schreibens eines Drehbuchs. Aber ich improvisiere nicht. Physisch vielleicht manchmal, aber nie mit Worten. Als "Mr. Bean" fand ich es leichter, zu improvisieren. Aber ich bin nicht sehr gut bei den Worten. Der aufregendste und befriedigendste Abschnitt des Filmemachens ist die Zeit vor dem Dreh, wenn man sich etwas ausdenkt. Der Prozess des Drehens ist für mich eine einzige Folter. Ich habe immer das Gefühl, dass mein Beitrag zum Film nicht so gut ist, wie er hätte sein müssen. Oder wie er hätte sein können.

Können Sie sich als Schauspieler trotzdem verwirklichen?

Atkinson: Als Schauspieler kann man die erstaunlichsten Fantasien ausleben. Wie in "Johnny English": Die Fantasie dieses Mannes wird Realität. Er hat immer davon geträumt, ein James Bond zu sein, und plötzlich ist er es. Natürlich ist er für diese Aufgabe hoffnungslos unterqualifiziert, daraus entspringt ja die Comedy. Mit "Mr. Bean" verhält es sich ganz ähnlich. Er ist ein unangenehmer Typ, ein absolut egoistischer Ekel. Aber Selbstsucht ist lustig anzuschauen. Der Rest der Welt kümmert ihn nicht. Ich selbst sehe mich nicht als absoluten Egoisten ohne Manieren, aber es macht Spaß, einen zu spielen.

War es schwieriger, Johnny English zu spielen als eine viel stärker überzeichnete Figur wie Mr. Bean?

Atkinson: Johnny English ist ein viel netterer Typ. Er ist ein wenig blasiert, und seine Urteilsfähigkeit gehört nicht zu seinen ausgeprägtesten Eigenschaften. Er ist in keiner Beziehung so gut, wie er es glaubt zu sein. Aber es war nicht schwieriger zu spielen. Das Gute war, dass ich immer jemanden hatte, mit dem ich spielen konnte. Mr. Bean braucht keinen Partner, er braucht kein Publikum. Johnny English braucht eines, er ist ein Angeber. Deshalb hat er Dialogpartner, mit denen er die Ping-Pong-Bälle tauschen kann. Ich fühlte mich immer sehr einsam, wenn ich Mr. Bean spielte.

Peter Ustinov sagt, er hätte seinen Humor zur Selbstverteidigung entwickelt, weil er als fetter Junge in der Schule oft gehänselt wurde. Welche Motivation hatten Sie?

Atkinson: Ich war nicht fett oder unbeliebt. Oder wenigstens war ich nicht fett. Ich erinnere mich nicht daran, irgendwelchen Repressalien ausgesetzt gewesen zu sein. Aber ich habe immer nach diesem gewissen Etwas gesucht, was mir in den Augen meiner Mitschüler einen besonderen Status verleihen würde. Irgendwann habe ich herausgefunden, dass es sie ungemein beeindruckt, wenn man auf der Bühne steht, um sie zu unterhalten. Ich war nie als Mensch witzig, ich musste in Rollen schlüpfen. Und ich bemerkte, dass das sehr gut ankam. Ja, ich habe gespielt, um zu beeindrucken. Aber nicht als Verteidigungsmechanismus.

Welches ist das größte Missverständnis, das in der Öffentlichkeit über Sie existiert?

Atkinson: Ich vermute, dass viele Menschen denken, es wäre sehr lustig, mich zu treffen. Was es nicht ist. Aber ich glaube, ich habe genug Interviews gegeben, um diese falsche Vorstellung auszuräumen. Ich hoffe, dass den Leuten klar ist, dass meine Figuren nichts mit mir als Person zu tun haben - besonders im Falle von Mr. Bean. Das Gute ist, dass ich von solchen falschen Einschätzungen nicht viel mitbekomme. Ich selbst habe bisher nichts über mich gelesen, was komplett falsch gewesen ist.

* Die Fragen stellte unser Mitarbeiter André Wesche.

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