Europäische Kompromisse

Dem Ruf, eins der besten Vokalensembles der Großregion zu sein, wurde "Arsys Bourgogne" in der Philharmonie nur teilweise gerecht. Erst nach der Pause entwickelte Dirigent Pierre Cao mit seinem Chor und den Instrumentalisten der "Harmonie Universelle" den prägnanten und ausdrucksreichen Interpretationsstil, der ihn bekannt gemacht hat.

Luxemburg. (mö) Es hätte ein echtes europäisches Konzert werden können, eine Verbindung unterschiedlicher Stile, wie sie für den Alten Kontinent charakteristisch ist. Die tiefsinnige Gewalt Bachs, Rameaus klangvoller Abglanz des Absolutismus, die intelligente Bürgerlichkeit Telemanns und Händels genialer Spagat zwischen mitteldeutschem Kontrapunkt und italienischer Oper - das wären Ansatzpunkte gewesen für eine Interpretation, die Unterschiede profiliert und dabei die Gemeinsamkeiten beschwört. Leider verlegte sich Pierre Cao mit seinen Ensembles "Arsys Bourgogne" (vokal) und "Harmonie Universelle" (instrumental) in der Philharmonie zunächst darauf, die Kompositionen auf ihren kleinsten gemeinsamen Nenner zu nivellieren - ein zweifelhafter Kompromiss.

Johann Sebastian Bachs Kantate 78 " Jesu, der du meine Seele" blieb ohne künstlerische Linie. Die dichte Polyphonie des Kopfsatzes verfiel zur Stimmen-Melange. Jean-Philippe Rameaus Motette "In convertendo" schleppte sich spannungslos dahin, nur vereinzelt aufgehellt von solistischen Glanzlichtern. Überhaupt: Trotz unterschiedlichen Abstands zum Ideal standen die Solisten (Yeree Suh, Ingrid Perruche, Britta Schwarz, Markus Schäfer, Alain Buet, Stephan Mac Leod) mit ihrer Koloraturengewandtheit, Sprachprägnanz und Kooperationsfreude auf der Haben-Seite der Veranstaltung.

Im zweiten Teil ähnelten die Ensembles dann einer Mannschaft, der der Trainer eine Standpauke gehalten hatte. Caos Dirigierstil wandelte sich - das verhaltene Kleinklein bei Bach und Rameau wurde abgelöst von ausholenden Gesten. So entwickelten Chor und Orchester Telemanns Motette "Deus iudicium tuum" zu einem wirkungsvollen Appell an eine aufgeklärte Religiosität.

Händels "Dixit Dominus" blieb frei von forcierter Schwere. Cao setzte ganz auf Impulsstärke und Virtuosität. Und in den wirbelnden Koloraturen der Schlussfuge mehrte "Arsys Bourgogne" seinen Ruf, eins der besten Vokalensembles der Großregion zu sein. Trotzdem bleibt das Resümee zwiespältig: Ein europäisches Konzert - zunächst matt und teilnahmslos und erst später engagiert und prägnant. Ungefähr so wie manches im politischen Europa.

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