Für ihn ist Bildung Unterhaltung

Seit dem vergangenen Wintersemester besucht der Schriftsteller und einstige Linguistik-Professor Walter Schenker ("Eifel", "Porta Nigra") wieder die Trierer Universität. Und registriert mit einer Mischung aus Neugier und ironisch gefärbter Distanz, was sich seit den Zeiten, in denen er am Lehrpult stand, geändert hat. Und auch, was nicht.

 Professor Walter Schenker ist wieder unter die Studenten gegangen. Foto: Hanspeter Baertschi

Professor Walter Schenker ist wieder unter die Studenten gegangen. Foto: Hanspeter Baertschi

Trier. Jetzt schlendert er wieder über den Campus, setzt sich in die engen Bankreihen der Hörsäle und genehmigt sich in der Cafeteria vielleicht das eine oder andere Getränk. Walter Schenker, bis 1984 Assistenzprofessor im Fach Sprachwissenschaft an der Trierer Universität und dann per Nichtübernahme zur Schriftstellerkarriere verdammt, hat sich 66-jährig als Gasthörer eingeschrieben. Als damals, vor 25 Jahren, sein Zeitvertrag nicht verlängert wurde, hatte Schenker spektakulär reagiert und im Trierischen Volksfreund eine Anzeige veröffentlicht: "Walter Schenker, Autor des Romans ‚Eifel', ist arbeitslos, ohne Arbeitslosenunterstützung und sucht deshalb Arbeit". Ungerechtfertigt habe er die Behandlung damals empfunden, sagt er. Aber dadurch habe er ja zu seinem Traumberuf Schriftsteller gefunden - "mir blieb ja gar nichts anderes" übrig.

Nun also wieder Universität, wenn auch aus anderem Blickwinkel. Im vergangenen Wintersemester hat sich Walter Schenker umgesehen, hat zunächst mehrere Fächer erprobt. Und hat jetzt im laufenden Semester Vorlesungen über römische Satiren, über antike Philosophie, über Höfische Heldendichtung des Mittelalters und den zweiten Teil einer Soziologie-Einführung belegt. Seminare besucht er nicht. Der Ex-Professor will ja nichts mehr werden. Er will beobachten und vor allem: "Ich will mich unterhalten."

Seine Sympathie gehört den Kommilitonen



Es wäre kühn zu behaupten, dass Walter Schenker unvoreingenommen zurückkehrt an die Alma Mater, die ihm gegenüber wenig mütterlich war. Wenn er mit Unverständnis berichtet, ein Dozent habe eine Schrift des konservativen und, wie er meint, "braunen" Philosophen Arnold Gehlen zur Lektüre empfohlen, dann schwingt im gemächlichen Schweizer Tonfall noch immer Zorn mit. Und wenn er pauschal und mit provokativem Beiklang "Bildung für alle" fordert und doch für sich nur Unterhaltungsbedarf reklamiert, wenn er das akademische Lehrangebot mit einem Fernsehprogramm vergleicht, aus dem er bestimmte Teile auswähle, dann lassen sich aus seinen ironischen Distanzierungen immer noch die Verletzungen von damals heraushören.

Was hat sich denn geändert an der Trierer Universität? Nicht viel, findet Walter Schenker. Die Fakultäten hießen jetzt Fachbereiche, die finanzielle Ausstattung sei so karg wie ehedem, nach wie vor würden aktuelle technische Möglichkeiten nicht genutzt. Und die Professoren? Ja, die seien angeblich an Diskussionen interessiert, aber mit ihrer Diskussionsfreude sei es rasch vorbei, wenn kritische Fragen aufkämen. Die hörten Professoren immer noch nicht so gern. Auch darin hat sich wenig geändert.

Schenkers Sympathie gehört den Studenten. Höflich seien sie und freundlich, bildungswillig und darauf aus, niemanden zu verletzen. Und trotz der Bachelor-Neuregelungen, die manchen zu viele Stunden aufbürdeten, machten sie einen zufriedenen Eindruck. "Sie genießen ihr Studium". Wenn Walter Schenker das sagt, dann klingen im Tonfall weder Zorn noch Verbitterung mit. Bei aller Distanz zur Universität - mit den Studenten ist er im Reinen.

Er wird weiter zur Uni gehen, wird sich zwischen die jungen Leute setzen, unerkannt und unauffällig. Und in seinem Tarforster Reihenhaus wird er weiter an Neu- und Wiederveröffentlichungen arbeiten. Im vergangenen Jahr ist sein Roman "Porta Nigra" herausgekommen, aus dem er am 12. November in der Trierer Stadtbibliothek lesen wird. 2010 erscheint im Rahmen seiner Werkausgabe "Engelsstaub" - Erstveröffentlichung 1986. Und ein privates Jubiläum hat er auf echt Schenkersche Art begangen. Zu seiner Silberhochzeit hat er Ende Mai ein altes Hochzeitsfoto in die Zeitung setzen lassen. Mit der Überschrift "Zürich, 24. Mai 1974". Ohne Hinweise auf Namen und Anlass. Wer die wohl erraten hat?

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