Flöten, bis die Funken fliegen

Trier · Das Kammer-Ensemble Spark bietet beim Mosel Musikfestival mit seinen außergewöhnlichen Interpretationen zwischen Klassik, Jazz und Moderne 800 euphorisierten Zuschauern ein wahres Spektakel.

 Dynamisch: Andrea Ritter, Arseni Sadykov, Viktor Plumettaz, Stefan Balazsovics und Daniel Koschinski (von links) sind Spark. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Dynamisch: Andrea Ritter, Arseni Sadykov, Viktor Plumettaz, Stefan Balazsovics und Daniel Koschinski (von links) sind Spark. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Foto: Dirk Tenbrock (DT) ("TV-Upload Tenbrock"

Trier Wenn das Mosel Musikfestival in den Innenhof des Trierer Rokoko-Palais bittet, ist hochklassiges Konzerterlebnis angesagt. "Hochklassisches" könnte man in diesem Fall auch erwarten, steht doch ein Kammermusik-Quintett mit Piano, Violine, Cello und Flöten auf der Bühne und hat Musik von Mozart, Bach, Händel und Ravel im Programm. Aber: Weit gefehlt!
Es gibt zwar die Granden der vergangenen Jahrhunderte zu hören, jedoch in völlig neuem musikalischen Gewand, und dazu einen elektrisierenden Stilmix von Volksmusik, Jazz, Pop und Moderne. Das alles verquicken - unprätentiös, aber spektakulär - die fünf klassisch ausgebildeten jungen Virtuosen von Spark - das ist Englisch für "Funke". Und dieser Funke springt vom ersten Moment an auf das 800 Köpfe zählende Publikum über.
"In Re Don Giovanni" des zeitgenössischen Avantgarde-Komponisten Michael Nyman bietet Stakkato-Mozart, der gleich zu Beginn durch die Ohren über den Bauch in die Beine geht. Exzentrik und Kreativität kennzeichnen Sparks Interpretationen, aber auch erstaunliches Feingefühl bei den (wenigen) langsamen Stücken zum Runterkommen. Dabei ist immer das tiefe Werkverständnis der Musiker zu spüren, es wird nichts verhunzt oder verschandelt, ganz im Gegenteil: Die Dekonstruktion der Klassiker führt hier zu einem neuen Klangerlebnis, das die Musik auf eine neue, überraschende Ebene hebt.
Andrea Ritter (Blockflöte), Daniel Koschinski (Blockflöte/Melodica), Arseni Sadykov (Klavier) und Viktor Plumettaz (Cello) lassen ihrem Spieltrieb freien Lauf. Letzterer steuert mit "Scotch Club" und "The last Step" (inspiriert von Händels Sarabande) auch zwei eigene und bemerkenswerte Kompositionen bei. Was Ritter und Koschinski auf ihren - übrigens zu Unrecht als Anfängerinstrument verspotteten - Blockflöten abliefern, ist sensationell. Rund 15 verschiedene Flöten bespielen sie im rasend-fliegenden Wechsel, von der Mini-Sopranino-Flöte bis zum meterlangen Blockflöten-Goliath ist alles dabei. Beim abschließenden und dem Konzert sinnigerweise den Namen gebenden "On the Dancefloor" - von Sebastian Bartmann eigens für Spark komponiert - spielen sie gar einen astreinen Techno-Sound auf zwei Flöten gleichzeitig. Cellist Plumetttaz wird zum Headbanger, und Sadykov macht sich außer Rand und Band am Innenleben des großen Konzertflügels zu schaffen.
Das ist einfach mitreißend und provoziert immer wieder stürmischen Zwischenapplaus, Johlen und Pfeifen bei den euphorisierten Zuschauern. Johann Sebastian Bachs "Badinerie" oder Ravels "Rigaudon" bringen tanzbare Dynamik, das "Lamento di Tristano" aus dem 14. Jahrhundert hingegen eindringliche Gänsehautmomente. Modernere Stücke wie Tayfuns "Dance on two floors" oder Jazz von Kapustin und Cole Porter bieten den Künstlern Gelegenheit zu virtuosen Soli.
Was zwei Blockflöten aus dem Popklassiker "Dancing Queen" von Abba machen können, ist nicht in Worte zu fassen, das muss man gehört haben. Das hat sich wohl auch der scheidende Mosel-Musikfestival-Intendant Hermann Lewen gedacht, als er, mit bekannt gutem Näschen für kommende Stars, Spark schon im Jahre 2011 zum ersten Mal an die Mosel geholt hat. Kurz darauf heimsten die Fünf den renommierten Musikpreis Echo in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen" ein. Damals spielten sie noch vor nur 120 Zuschauern, heute nun vor der Rekordkulisse von 800 restlos begeisterten Besuchern. Und Lewen wäre nicht Lewen, wenn er - aus Anlass seines letzten Open-Air-Konzertes im Innenhof der kurfürstlichen Palais als Intendant - nicht noch einen draufsetzen würde: Nach dem Konzert bietet er der staunenden Menge noch ein opulentes und musiksynchrones Feuerwerk zu Mussorgskis "Das große Tor von Kiew" aus den "Bildern einer Ausstellung", bei dem dann auch optisch echte Funken fliegen. Und was für welche!

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