Gefährliche Partnerschaften

TRIER. Mehr Kultur sollte für alle Grund zu Freude sein. Die Konzertreihe der rheinland-pfälzischen Stiftung "Villa Musica" im Kurfürstlichen Palais löst allerdings nicht nur Genugtuung aus.

Josef Peter Mertes liebt Kultur. Und sein Amtssitz, das Kurfürstliche Palais ist dafür auch ein wunderschöner, repräsentativer Ort. Darum will der Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungdirektion (ADD) zum Zentrum für die Kultur aufwerten. Neben den sommerlichen Veranstaltungen im Innenhof stehen vor allem Kammerkonzerte auf der Agenda. Eine Einrichtung hat sich bereits neu im Festsaal des Rokokoflügels etabliert. Es ist die rheinland-pfälzische Landesstiftung "Villa Musica". Die wurde vor 20 Jahren gegründet und hat sich die Spitzenförderung auf die Fahnen geschrieben. Junge Musiker erarbeiten mit angesehenen und als Lehrern qualifizierten Kollegen Kompositionen und stellen diese in Konzerten vor. Ungefähr die Hälfte der landesweit 150 Veranstaltungen in der kommenden Saison finden unter diesem Vorzeichen statt. Die Region wird dabei eher spärlich bedacht: In Trier, Bollendorf, Bernkastel, Prüm und Schweich finden insgesamt neun Konzerte statt. Zu dritten Mal bietet die Stiftung jetzt im Trierer Palais eine Veranstaltungsreihe an. Die Konzerte in den Viehmarkt-Themen hatte man vorher aus akustischen und optischen Gründen aufgegeben. Das Angebot in der neuen Saison variiert das Thema "Dvorák" mit so griffigen Titeln wie "Mozart und Dvorák", "Dvorák in Amerika" und "Slawische Tänze". Künstler wie der Fagottist Klaus Thunemann, die Geigerin Kathrin Rabus oder der Oboist Ingo Goritzki garantieren hochrangigen Musikgenuss. Unter dem Motto "Bläser und Klavier" gastiert das komplette Ensemble "Villa Musica", und im Sommer 2005 tritt sogar das renommierte "Kurpfälzische Kammerorchester" im Palais auf. Das sind große Namen, und die Tatsache, dass sich in drei Konzerten die mitwirkenden Studenten unter dem bescheidenen Titel "Ensemble" verbergen, mindert die Attraktivität fürs erste nicht. Allerdings findet im Palais noch eine zweite Veranstaltungsreihe statt, der Josef Peter Mertes sogar als Schirmherr vorsteht. Seit 1957 bietet die "Kammermusikalische Vereinigung im Städtischen Musikverein 1846 e. V." Jahr für Jahr fünf, bisweilen sechs Kammerkonzerte an. Geleitet wird sie seit fast 30 Jahren vom ehemaligen Jugendrichter Hanspeter Hilgers, selbstverständlich ehrenamtlich. Im Gegensatz zum frohlockenden ADD-Präsidenten beobachtet Hilgers die bald dreijährige Präsenz der "Villa Musica" im Palais mit einer Mischung aus Skepsis und milder Verärgerung. Die ursprünglich geplante Kooperation scheiterte nach zwei Konzerten an der Frage, wer bei Unfällen die Haftung übernimmt. Als danach ein Verdrängungswettbewerb mit vorhersehbarem Ausgang drohte, richtete der Vorsitzende der Vereinigung im Januar 2003 an Kurt Karst von der Villa Musica ein zweiseitiges Schreiben, kritisierte darin die mangelnde Abstimmung und kam zu einem in der Tat wichtigen Thema: dass im Palais eine staatliche und staatlich finanzierte Organisation in Konkurrenz zu einer privaten tritt, die die öffentliche Hand nichts kostet und trotzdem noch schwarze Zahlen schreibt. Tatsächlich sind bei Konzerten der Kammermusikalischen Vereinigung von 250 Plätzen im Festsaal seit langem 160 abonniert, und die "Patronate" bringen weiteres Geld in die Kassen. Damit werden Jahr für Jahr hochkarätige Konzerte finanziert. In der kommenden Saison gastieren etwa die Geigerin Isabel Faust und das angesehene Hamburger "Petersen-Quartett". Vor allem verärgert Hilgers die Tatsache, dass die Trierer Sparkasse ganz offiziell als Sponsor der "Villa Musica"-Konzerte auftritt, aber sich um seine Vereinigung nicht kümmert. Man wolle von der städtischen Bank kein Geld, sondern nur ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Und überhaupt: Die Kammermusikalische Vereinigung fühle sich von der Trierer Politik allein gelassen. Auch dabei geht es nicht um Finanzen, sondern allein um die öffentliche Unterstützung. Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink bietet seine Unterstützung und auch seinen persönlichen Einsatz an, macht aber auch darauf aufmerksam, dass die Möglichkeiten der Stadt begrenzt sind. Juri-stisch ist die Kammermusikalische Vereinigung keine städtische Einrichtung. Tatsächlich hatte die "Villa Musica" ein Einsehen und stimmt jetzt Termine mit der Kammermusikalischen Vereinigung ab. Seither herrscht im Palais ein brüchiger Burgfriede. Der dürfte rasch zu Ende sein, wenn die "geballte Staatsmacht" (Hilgers) ihr Kammermusik-Angebot ausweiten sollte. Das sei allerdings, so Kurt Karst, nicht vorgesehen. Präsident der Kammermusikalischen Vereinigung ist übrigens OB Schröer. Der hat in der Diskussion bisher noch gar nicht Stellung bezogen. Man habe ihn, so Hilgers, bisher nicht in die Angelegenheit hineinziehen wollen. Beim näch-sten OB-Besuch des Vorsitzenden könnte sich das ändern.

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