Glühendes Amen trotz Verzweiflung

Trier . Vor einem vollbesetzten Dom gestaltete der Trierer Domchor unter der Leitung von Stephan Rommelspacher das "Stabat mater" von Antonin Dvorak. Durch dessen Interpretation geriet die überzeugende Aufführung zu einem Konzert, das in weiten Teilen die Züge einer Andacht hatte.

Leben und Sterben, Verzweiflung und Hoffnung - wie nah liegen diese Gegensätze doch beieinander. Während auf dem Domfreihof der Weihnachtsmarkt auf seine Eröffnung wartet, strömen die Menschen in den Dom, um einem "Stabat mater" zu lauschen, jenem alten Reimgebet, das die Schmerzen Mariens angesichts ihres gekreuzigten Sohnes betrachtet. Man kennt viele Vertonungen dieses Textes, jedoch kaum eine kann die Tiefe aufbieten, wie das Opus 58 von Antonin Dvorak. Der Komponist hat darin seine ganzen Gefühle über den Verlust seiner eigenen Kinder verarbeitet. Er bleibt aber nicht in seiner Verzweiflung stecken, sondern zieht aus seinem tiefen Glauben Trost.Emotionen Gestalt verliehen

Kann man diesen Schmerz, aber auch diese Zuversicht in seinem ganzen Umfang nachvollziehen, wenn man dieses Schicksal nicht teilen musste? Dies mag bezweifelt werden, und doch wagte es Domkapellmeister Stephan Rommelspacher, dieses großartige Werk auf das Konzertprogramm des für diese Veranstaltung durch Mitglieder des Trierer Bach-Chores und der Cantores Trevirenses verstärkten Domchores zu setzen. Zusammen mit der Rheinischen Philharmonie Koblenz verlieh Rommelspacher den Emotionen Dvoraks Gestalt, unterstützt vom Solistenquartett Katja Pieweck (Sopran), Ruth Sandhoff (Alt), dem Tenor Xavier Moreno und Hiroshi Matsui als Bass. Schon mit den ersten Tönen des Einleitungssatzes machte Rommelspacher deutlich, dass hier etwas Besonderes geschehen wird. Ein großer Orchesterapparat und ein großer Chor prägten das Bild, ließen Klanggewalt erwarten, jedoch war es ein fein durchdachtes Piano, mit dem diese musikalische Andacht ihren Lauf nahm. Der Domkapellmeister nutzte alle Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Werkes, die ihm sein ausgezeichnet präparierter Chor bot. Teilweise minimales Dirigat wurde augenblicklich umgesetzt, der Domchor präsentierte sich als ein homogener Klangkörper, der sich willig durch das Werk führen ließ. Bis hin zur großen Amen-Fuge zeichnete kultivierter Chorklang die Aufführung aus, die kaum einmal unter Intonationsproblemen zu leiden hatte, in der die Einsätze konzentriert erfolgten und die der schwierigen Akustik des Domes mit einer sauber artikulierten Aussprache begegnete. Auch mit dem Orchester hatte Rommelspacher eine gute Wahl getroffen. Die Koblenzer Musiker setzten seine Wünsche fast durchgängig in die Tat um, zeichneten sich als ein Ensemble aus, das den facettenreichen Anforderungen der Romantik auf ganzer Linie gewachsen ist. Die Krönung des Ganzen bildete das tadellose Solistenquartett, für das Rommelspacher kaum eine bessere Besetzung hätte finden können. Piewecks strahlender Sopran sowie Sandhoffs warmer und runder Alt gaben dem Konzert eine besondere Note, gestützt durch den fundamentreichen Matsui. Lediglich Morenos Tenor war gelegentlich ein wenig zu eng, konnte mit seinen raumgreifenden Partnern nicht ganz mithalten. Der lang anhaltende, stehende Applaus war von den Ausführenden redlich verdient.

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