Heiter, freundlich, anregend

TRIER. Sie verdichtet die Räume der Kultur und der eigenen Seele. Das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum Trier zeigt Arbeiten von Ivana Zimmermann.

"Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen." Dass Menschen ihr Leben als Raumfolge begreifen, ist nicht erst eine Erfindung des Dichters Hermann Hesse. Wahrscheinlich ist es der Wunsch nach Übersichtlichkeit, der zu solcher Raumordnung führt. Wird sie zu kleinteilig, spricht man gemeinhin vom "Kästchendenken". Um solche Raumteile des Lebens geht es auch in der neuen Ausstellung des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums. "Wachsende Räume" heißt die Bilderschau. Der Titel ist etwas irreführend. Geht es doch bei den Arbeiten von Ivana Zimmermann nicht ums Vergrößern, sondern ums Verschränken, also um die gegenseitige Durchdringung von Innen- und Außenraum der menschlichen Existenz. Ihr Interesse gilt Thomas von Aquin

Das ist ein altes wie unumgängliches künstlerisches Thema, schließlich ist Menschsein eine mehr oder weniger gelungene Synthese von außen und innen. "Die Trennung von außen und innen halte ich für unangemessen", betont Ivana Zimmermann. Die promovierte Philosophin aus Köln, die später zur Bildenden Künstlerin wurde, weiß, dass alles Leben ist: die kontrastierenden Eindrücke der Außenwelt genauso wie jener Geist- und Seelenraum, in dem sich alles zum Ganzen findet. Über Thomas von Aquin, den mittelalterlichen Denker und Kirchenmann, hat die in Zagreb geborene Künstlerin gearbeitet. Und fast scheint es, als wolle die späte Schülerin ihrem Lehrer nacheifern, der das vorwissenschaftliche Weltbild des antiken Aristoteles mit dem Christentum einen wollte. "Alles, was wesentlich ist, hat mit dem sakralen Raum zu tun", das ist für die gläubige Katholikin klar. Mit ihm als Ausgangsort arbeitet sie seit dem Jahr 2000, als sie sich mit dem romanischen Innenraum einer Kölner Kirche auseinander setzte. Das Raumteilen hat sie seitdem beibehalten. Diesmal sind es das kirchliche Trierer Museum und andere geistliche und weltliche Stätten der Domstadt, deren Räume sie seit Jahren im Wortsinn Stück für Stück verinnerlicht hat. Was jetzt in Trier sichtbar wird, gleicht einer Sezierung. Als "Selbstfragmentierung" bezeichnet die Künstlerin, die in Mischtechniken und Collagen offen gelegte Anatomie ihrer Innenräume und -welten. Die Bilderschau hat übrigens eine hilfreiche Dramaturgie. Die beiden Gemälde "Innenschau" und "Lichtung" sind sozusagen die Eckpfeiler der Schau. In ihnen verdichtet sich, was in den vielfarbigen kleinen Formaten als Raumprogramm von Ivana Zimmermanns Geist und Seele ausgebreitet ist. Schnitzeljagd oder Vernetzung?

Man kann sich den Raumfragmenten, zu denen auch wenige bildhauerische Arbeiten gehören, natürlich wie einer Schnitzeljagd nähern und wird dann in Kreuz- und Altarteilen, Engelflügeln, romanischen Bögen und römischen Freskenfragmenten zahlreiche Hinweise auf die Orte des Museums finden. In solchen Zitaten spiegelt sich natürlich auch der vielfältig verschränkte Kulturraum der Domstadt. Ergiebiger ist es freilich, Ivana Zimmermanns Raumbilder, ihre Hinweise darin auf frühere Arbeiten und ihre Vernetzung durch Zeichnung, Übermalung und Collage als Ausdruck einer ganz persönlicher Wegfindung hin zur rechten Ordnung zu erleben. Wer sich aufmacht zu den in der Zusammenschau heiteren, sogar vertrauensvollen Bildern, hat die beste Chance mit einer sehr anregenden künstlerischen Persönlichkeit ins Gespräch zu kommen. Bis 2. Juli, Mo bis Sa 9 bis 17 Uhr, So und feiertags 13 bis 17 Uhr, Telefon: 0651/7105-255, www.museum.bistum-trier.de

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