"Ich biete einen fremden Blick"

TRIER. Was lange währt: Seit dem 7. Februar hat Trier nun auch "amtlich" einen Stadtschreiber. Der in Berlin lebende Schriftsteller Rajvinder Singh nimmt für ein halbes Jahr seinen Wohnsitz an der Mosel, um sich mit Trier und seinem Umland literarisch auseinanderzusetzen.

Schon im letzten Jahr war der gebürtige Inder, der seit zwei Jahrzehnten in Deutschland lebt, über den "Kultursommer Rheinland-Pfalz" zu Gast in Trier. Der Rahmen der "Kulturhauptstadt 2007" hat es nun dem Verein "Stadtschreiber Trier e.V." ermöglicht, aus der Stippvisite ein umfassendes Projekt für die nächsten Monate zu machen. Am Mittwochabend wurde Rajvinder Singh im Thermenmuseum offiziell in sein Amt eingeführt, das bis zum Sommer dauert. Die "Stadtschreiber"-Idee kursiert in Deutschland seit Mitte der 70er Jahre. Eine Stadt lädt einen Schriftsteller ein, für einen längeren Zeitraum vor Ort zu wohnen und seine Erfahrungen literarisch zu verarbeiten. Dafür erhält er ein - in der Regel eher bescheidenes - Stipendium sowie eine Wohnung. Singh hat entsprechende Erfahrungen bereits als Stadtschreiber in Rheinsberg und Remscheid gesammelt. "Ich werde mich bemühen, ein Spiegel des städtischen Alltags zu sein", kündigte er für Trier an. Dabei werde er sich "natürlich auch in die Tages-, Sozial- und Kulturpolitik einmischen". Was in Trier kaum schwer fallen dürfte angesichts der vielfältigen Ansatzpunkte, die die Politik bietet. Einen neuen Aspekt schafft die Konstellation mit dem Kulturhauptstadt-Jahr allerdings auch: Der 51-Jährige soll sich nicht nur in der Stadt Trier umsehen, sondern auch in der Region und in Luxemburg. "Wie bauen Kontakte zu den dortigen Literaturszenen auf", kündigte der Vorsitzende des Vereins Stadtschreiber, Bernd Steinmetz, an. Vor allem wolle man "die junge literarische Szene" durch die Arbeit mit dem erfahrenen Schriftsteller stärken. Literatur-Workshops in Schulen, Lesungen, Kontakte: Das alles gehört zu Singhs Programm. Das Trierer Haus Franziskus in der Christophstraße hat ihm im renovierten Kutscherhaus ein "Wohnzimmer" eingerichtet, wo er regelmäßig "einfach so" zu treffen sein soll. Schließlich sei er "dialogsüchtig", sagt Singh. Und er biete "einen fremden Blick" auf das Gewohnte. Und dann ist ja da auch noch die Hoffnung, literarisch verewigt zu werden. Eine entsprechende Verpflichtung ist nicht festgeschrieben, aber bislang blieben die Stadtschreiber-Tätigkeiten des Deutsch-Inders nie fruchtlos. Kaum vorstellbar, dass die Trierer An- und Einsichten des "leidenschaftlichen Flaneurs" (Singh über Singh) sich nicht auch in Prosa- oder Gedichtform niederschlagen. Man wolle "öffentliche Aufmerksamkeit für anspruchsvolle Literatur schaffen", umriss Dezernent Ulrich Holkenbrink bei der Amtseinführung das Ziel der Aktion, zu deren Finanzierung der städtische Kulturhauptstadt-Fonds maßgeblich beigetragen hat. Probleme mit Windows-Vista

Auch die Sparkassen-Kulturstiftung und private Sponsoren haben ihr Scherflein zugesteuert zu der - wie man hört, durchaus mühsamen - Finanzierung des Projekts. Und das wird laut Bernd Steinmetz keine Eintagsfliege bleiben. Stadtschreiber solle es künftig "regelmäßig geben, und nicht nur im Ausnahmejahr 2007". Zum Abschluss der Veranstaltung, die von der FWG-Jazz-Combo umrahmt wurde, bot Rajvinder Singh einige Kostproben seiner literarischen Kunst, aber auch seines Humors. Seine programmatische Rede zur Amtseinführung musste er vom Laptop ablesen, weil er es nicht geschafft hatte, den auf dem neuen Windows-Vista geschriebenen Text irgendwo auszudrucken. "Und das bei jemandem, der aus dem Land der Computerspezialisten kommt", flachste Singh - und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort