Jazz als Symbol für Freiheit, Hoffnung und Frieden

Als Zeitzeugen haben Konzertveranstalter Fritz Rau und Saxofonist Emil Mangelsdorff auf Einladung des Jazzclubs Trier, des Jazzclubs EuroCore und der Tufa Trier einen Vortrag über "Jazz im Dritten Reich" gehalten. Besonders durch die Schilderung eigener Erlebnisse und Sichtweisen geriet er zu einem engagierten Plädoyer für zivilen Ungehorsam im Dienst von Freiheit und Frieden.

 In Wort und Musik vermittelten Fritz Rau (links) und Emil Mangelsdorff (rechts) in der Tufa Trier den freiheitlichen, weltoffenen Geist des Jazz. TV-Foto: Anke Emmerling

In Wort und Musik vermittelten Fritz Rau (links) und Emil Mangelsdorff (rechts) in der Tufa Trier den freiheitlichen, weltoffenen Geist des Jazz. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. (ae) Eine Geschichtsstunde der besonderen Art bieten der 79-jährige Fritz Rau und der 84-jährige Emil Mangelsdorff rund 60 Gästen in der Tufa. Denn sie waren selbst Teil der düsteren Zeit, von der sie berichten. In Zitaten aus Originaldokumenten zeichnen sie ein Bild des Nationalsozialismus, speziell bezogen auf seine Haltung zur als "entartet" deklarierten Jazzmusik.

Das Lachen über groteske Hasstiraden mit Begriffen wie "jüdisch-freimaurerisches Gegröle" oder "Niggermusik" bleibt bald im Halse stecken. Denn Rau und Mangelsdorff eröffnen auch die ungeheuerliche Dimension dahinter: systematische Gleichschaltung und Vernichtung von Menschen.

"Unser Lebensgefühl war Angst", sagt Emil Mangelsdorff. Er wuchs als Kind sozialdemokratischer Eltern auf, die sich offizieller Propaganda verweigerten, indem sie Radio Luxemburg hörten. Dabei stieß er auf die Musik von Louis Armstrong. "Und ich wusste, so was will ich auch spielen". Mit zehn Jahren lernte er den Klarinettisten Charly Petri kennen, der ihn in die Welt des Jazz einführte und 1941 mit ihm und drei anderen Musikern die Frankfurter Hotclub-Combo gründete. "Sie waren kulturelle Widerstandskämpfer", kommentiert Fritz Rau.

Illegal im Hinterzimmer eines Hotels spielten sie offiziell verteufelte amerikanische Titel mit deutschen Tarnnamen, "Tiger Rag" zum Beispiel als "Löwenjagd im Taunus". Die Gestapo kam, lud Mangelsdorff dreimal vor, um ihn schließlich zu verhaften und an einer Weiterführung seines Klarinetten-Studiums zu hindern. Doch sie konnte seine oppositionelle Überzeugung nicht beugen: "Der Jazz hat mich gelehrt, dass die rassistischen Vorstellungen der Nazis völlig absurd waren".

Auch Fritz Rau berichtet von der läuternden Kraft des Jazz, die ihm aber erst nach Kriegsende zuteil wurde. "Mit dreizehn war ich noch bereit, für die Nazi-Ideale und mein Vaterland zu sterben". Nach dem Zusammenbruch der von ihm glühend verfochtenen Welt habe er zunächst Verzweiflung, dann zunehmend Entsetzen und Scham gefühlt.

Erst der Kontakt mit Jazzmusik über Horst Lippmann, der ab 1945 zum Hotclub stieß und später beruflich ein Partner Raus wurde, habe eine geistige und seelische Neugeburt ausgelöst: "Jazz ist Freiheit, Hoffnung und Frieden, das Gegenteil von Marschmusik und Uniform. Der Swing hat mich entnazifiziert".

Raus Leben war fortan von Engagement für den Jazz, für weltumspannende Musik allgemein, aber auch friedliche Protestbewegungen geprägt. Seit 1955 ist er mit Emil Mangelsdorff eng befreundet. Ihr gemeinsamer Auftritt, den Mangelsdorff mit schönen Solostücken auf seinem Altsaxofon stimmungsvoll umrahmt, hinterlässt viele Anregungen zum Nachdenken über eigene Positionen.

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