Jede Arie ein kleiner Edelstein

LUXEMBURG. Während andere Häuser das Mozartjahr mit dem 20. "Don Giovanni" oder der zehnten "Entführung" feiern, widmet sich das Grand Théâtre Luxemburg den weniger populären Edelsteinen aus dem Repertoire des Geburtstagskindes. Mit "Il re pastore" gelingt eine grandiose Produktion.

Was ist schief gelaufen mit dieser wunderschönen kleinen Oper, dass sie nicht einmal im Standard-Opernführer Harenberg Erwähnung findet? Wahrscheinlich wird sie unter die weniger bedeutenden Frühwerke des Komponisten gezählt - immerhin war er erst 19, als er "Il re pastore" schrieb. Aber da hatte Mozart, das Wunderkind, schon sieben Opern komponiert. Und die Geschichte vom König, der unerkannt als Schäfer lebt, war ein wichtiger Schritt in Richtung der genialen Spätwerke. Höchste Zeit also, das Stück dem Vergessen zu entreißen. Und das könnte man nicht besser, als es die in Luxemburg gezeigte, ursprünglich aus Brüssel stammende Produktion demonstriert. Sie bietet eine auf allen Firlefanz verzichtende, packend-genaue Personenregie, fünf Sänger-Darsteller von Weltformat und eine brillante Orchesterleistung. Die Rahmenhandlung ist im Prinzip ohne Belang. Es geht, typisch Mozart, um zwei Paare und die Gefährung ihrer Liebe. Amintas, Sohn eines ermordeten Königs, lebt als Schäfer in Phönizien, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Er ist gerade im Begriff, Elisa, ein Mädchen aus besserem Hause zu heiraten, als der große Eroberer und Herrscher Alessandro mit seinem Berater Agenore auftaucht, ihm das Geheimnis seiner Abstammung eröffnet und ihn zum König erhebt. Pferdefuß der Blitz-Karriere: Amintas soll aus politischen Gründen Prinzessin Tamiri zur Frau nehmen, die wiederum Agenore liebt. Die Männer sind drauf und dran, ihre Liebe der Staatsräson zu opfern, würden die Frauen nicht beherzt eingreifen und den gutmütigen Alessandro dazu bewegen, seine Pläne zu ändern.Bewegungsrepertoire jenseits alles Klischees

Regisseur Vincent Boussard verzichtet auf jegliche Darstellung des Groß- und Staatsdramas, konzentriert sich ganz auf die Gefühle seiner Protagonisten. Da ist jede Bewegung durchdacht, jede Regung liebevoll inszeniert, angefüllt mit verspielten Nuancen und Details, ohne auch nur eine Sekunde aktionistisch zu wirken. Die Sänger, ausnahmslos begabte Schauspieler, schaffen ein Bewegungsrepertoire jenseits aller Klischees, beziehen mit bezaubernder Leichtigkeit den Zuschauerraum in die Handlung mit ein. Da kann sich das Bühnenbild auf unaufdringlichen Minimalismus beschränken, zumal die zeitlos-geschmackvollen Kostüme des Pariser Modeschöpfers Christian Lacroix für hinreichend Augenschmaus sorgen. In diesem Ambiente brillieren die drei Sopranistinnen und die beiden Tenöre, erheben jede ihrer sorgfältig gestalteten Arien zu einer kleinen Preziose. Und es bleibt nicht beim oberflächlichen Schillern, in der Kombination mit der fesselnden Darstellung entstehen anrührende Charakterstudien. Auch in den ausgedehnten Rezitativen lässt man sich Zeit, dominieren das Wort und der Sinn über die papierenen Noten. Eine bessere Besetzung wird man weltweit schwerlich finden: Bruce Ford (Alessandro) ist seit Jahren einer der größten Mozart-Tenöre, Annette Dasch (Amintas) wird in der gleichen Rolle nicht zufällig im Sommer in Salzburg debütieren, Silvia Colombini (Elisa) ist spätestens seit ihrer Berliner Staatsopern-Königin der Nacht nicht mehr zu überhören, Raffaella Milanesi (Tamiri) und Juan José Lopera (Agenore) gehören nicht umsonst bei aktuellen Mozart- und Rossini-CD-Einspielungen zur Besetzung. Mozart in Vollendung bietet Enrique Mazzola mit dem Sinfonie-Orchester der Brüsseler Oper. Da wird buchstäblich jedem Ton die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, da werden gemeinsam mit den Sängern die Seelen-Nöte der Figuren eingefangen, da entfaltet sich auch südländische Eleganz, die dem rauen, modernen Mozart-Stil der Brüsseler gut steht. Die gute Nachricht: Es gibt noch Karten für den 19. und 21. Januar, 20 Uhr. Tel. 00352/4708951

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