KOLUMNE

Jetzt stürzen Sie uns Journalisten aber ganz schön in Probleme. Wie sollen wir Sie als Ehemann der neuen Bundeskanzlerin eigentlich nennen? "First Man"? Das klingt wie ein amerikanischer Western-Titel.

"First Lord"? Das wäre zwar synonym zur "First Lady", hört sich aber irgendwie eher nach englischem Landadel als nach Ostberliner Chemie-Professor an. "Herr Merkel" geht auch nicht, schließlich sind Sie emanzipiert und haben bei der Hochzeit Ihren Nachnamen einfach behalten. Ach was waren das noch für Zeiten, als die Welt hier zu Lande geschlechtertechnisch noch nicht auf den Kopf gestellt war. Damals, als Helmut Kohl gewählt wurde, saßen die brave Ehefrau und die sauber gescheitelten Söhne auf der Tribüne und strahlten über den "Babba". Und heute? Wissen Sie eigentlich, welchen Schrecken Sie unter den Protokoll-Referenten dieser Welt verbreiten? Was machen die beim nächsten EU-Gipfel oder der nächsten G7-Konferenz mit dem Damen-Programm? Müssen Sie dann mit Bernadette Chirac, Cherie Blair und Laura Bush shoppen und Museen besichtigen, oder dürfen Sie Ihre Kollegen an der örtlichen Hochschule besuchen? Und können die Damen mit Ihnen angemessen über die "Struktur molekularer Cluster in der Gasphase" parlieren? Alles nicht so einfach. Wir harren mit Spannung der sozialen Stiftung, an deren Spitze Sie treten werden wie einst Mildred Scheel oder Elly Heuss-Knapp, die Mutter des Müttergenesungswerks. Vielleicht lässt sich ja da auch emanzipatorisches Gedankengut einbringen, etwa mit einer Initiative zugunsten burnoutsyndromgefährdeter Männer. Oder mit einem Schutzbund für Ehegatten im Schatten dominanter Frauen. Ihnen stehen alle Möglichkeiten offen. Meine Sympathie haben Sie schon, ohne dass ich Sie kenne. Und zwar genau deshalb, weil Sie keiner kennt. Die Lebensgefährtin von Herrn Platzeck strahlte mich schon vor dem Tag seiner Wahl als seitendeckendes Covergirl von der Bild-Zeitung an, samt Personality-Geschichte. Sie haben es geschafft, dem selbstdarstellerischen Rummel bislang auszuweichen. Vielleicht gelingt Ihnen das ja auch weiterhin. Dieter Lintz

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