Kafka trifft Donald

TRIER. Es war nicht viel, was er tat. Doch das tat er richtig. 1400 Zuschauer waren hellauf begeistert, als Harald Schmidt in der Europahalle auftrat.

Freitagabend, 20.20 Uhr: Der Saal liegt im Dunkeln, gespannte Stille macht sich unter den 1400 Gästen in der ausverkauften Europahalle breit. Allein einige Scheinwerfer strahlen auf die Bühne. Und dann kommt er. Tosender Applaus, begeisterte Pfiffe und strahlende Gesichter begrüßen Harald Schmidt bei seinem Auftritt in Trier - live und in Farbe. Er genießt den Beifall: "Es ist schön, nach zehn Jahren wieder hier im Saarland zu sein!" Der erste Satz, direkt ein alter Kalauer. Jedem anderen Kabarettisten hätte man einen müden Blick zugeworfen - bei Schmidt dagegen ist sogar das ein Lachen wert. Man verzeiht ihm gerne, ist er doch der Spitzbube von nebenan, der mit seinem verschmitzten Lächeln und unschuldiger Miene gar nicht anders kann. Schmidt setzt sich an "die Harfe im Sarg" und klimpert auf dem Klavier herum: Chopin. Man sollte vermuten, das seien die ruhigen Momente, die die Pause im Programm ersetzen. Doch keiner der Zuschauer kann abschalten. Denn Schmidt erzählt munter weiter: von der kleinen Gil, die "Kompositionsunterricht" bekommt, von seinem Musiklehrer, der ihm damals die Noten, die Schmidt nun zerfleddert in der Hand hält, um die Ohren schlug. Nach einer Dreiviertelstunde kommt Schmidts Kumpane Michael Andrack hinzu. Er trägt seine Jeans-Kluft und einen Wanderrucksack, hat jedoch wenig zusätzlichen Spaßfaktor im Gepäck. Nachdem Marcel Reich-Ranicki-Schmidt das Wanderbuch seines Stichwortgebers preiste, schaut Kaiser Harald Beckenbauer kritisch auf die Show: "Jo mei, net woar, der Schmidt, der kann des nett mehr alleine, der hat sich da diesen Andratsch noch dazu g'nomme, nett woar. Der Schmidt kann die zwei Stunde nett allein durchziehe." Ansichtssache. Andrack erklärt noch, warum dieser Auftritt "Keinen Füller - Geh zu Andrack!" heißt: "Mein Großvater hatte mal in der Sternstraße beim Hauptmarkt ein Füllfederhalter-Fachgeschäft. Und das war sein Werbespruch." Aha. Nach diesem kurzen Andrack-Zwischenspiel dreht sich wieder alles um Harald Schmidt. Er verlangt seinem Publikum viel ab - vor allem viel Wissen aus Kultur, Zeitgeschichte und Politik. Nach seinem Rundgang durch den Saal ("Ich spüre, das Publikum braucht physische Nähe") liegt er auf der Bühne und ruft: "Der Prokurist ist da!" Wenige Minuten nach diesem Kafka-Ausflug macht er einen auf Donald Duck und quakt minutenlang fröhlich vor sich hin. Doch Schmidt kann auch anders. "Dirty Harry" schlägt beim Fototermin mit Fans zu: "Lange draufdrücken. War das nicht der letzte Satz von Mooshammer?" Sexistisch, politisch inkorrekt und oft unter der Gürtellinie - das sind oft die Momente, die Schmidt so unberechenbar machen. Am Ende seines zweistündigen Programms bilanziert Schmidt nüchtern: "Es war ein gelungener Abend." Das finden auch die Zuschauer: "Sein Humor war gut und trocken", erzählt Alois Müller aus Trier. Auch Dirk Schmitt aus Ernzen fand den Abend sehr unterhaltsam - so wie schon vor zehn Jahren. Und der Trierer Timo Faust ist sich sicher: "Beim nächsten Auftritt in Trier bin ich wieder dabei."

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