Kreative Handarbeit

TRIER. Eine Reise in die Vergangenheit der Schule macht eine Ausstellung der FH Trier. Am Standort Paulusplatz zeigt die Schule "50 Jahre Gebrauchsgrafik" aus dem eigenen Haus.

Gedankenschwer blickt ein Rind aus dem grünen Plakatraum auf den Betrachter. Das nachdenkliche Tier wirbt für die Kreistierschau. Sichtlich stolz auf die runden Fettaugen in "Knorr's Hühnersuppe" ist dagegen das dicke Huhn, das - ein Plakat weiter - einfältig aber akkurat neben dem Löffel liegt. Was macht's, dass es für den plakativen Ruhm zum Suppenhuhn wurde? Unter dem Titel "50 Jahre Gebrauchsgrafik" zeigt die Trierer Fachhochschule derzeit studentische Arbeiten der 50er und 60er Jahre aus der Klasse ihres ehemaligen Lehrers Hugo Ritter. Erfüllungsgehilfen der Werbung

Allesamt stammen die gebrauchsgrafischen Werkstücke aus der Sammlung von Ritters Kollegen Hans Borkam. Die Schau ist ein Ausflug in eine Zeit, in der (zumindest im Entwurf) noch handgemacht war, was Verpackungen zieren, an Litfasssäulen prangen und als Erfüllungsgehilfe der Werbung den Verkauf fördern sollte. Was ein Gebrauchsgrafiker vor einem halben Jahrhundert können musste, der "in der Praxis willkommen war", wie eine zeitgenössische Fachzeitschrift fein bemerkte, zeigen die 60 studentischen Arbeiten am Paulusplatz. Plakatentwürfe in stark deckenden Tempera-Farben oder als Linolschnitt sind zu sehen. Wer sich in der vormodernen computerlosen Zeit auf dem Markt behaupten wollte, musste zudem den Handsatz beherrschen. Eine große Rolle spielte die Kalligraphie, die Kunst des freihändigen Schriftenmalens. Schließlich stand der richtige Schriftzug für mehr als Sachinformation. Seine Schnörkel oder strengen Zeichen waren Bildteil und Botschafter, die Verheißungen und Werbeversprechen transportierten. "Qualitätsdenken und die Auseinandersetzung mit der guten Form und einer werkstoff- und konstruktionsgerechten Arbeit ist zu aller Zeit vorrangig bei unserer Arbeit gewesen", sagt FH-Professor Klaus Steinmann, der die Ausstellung zusammengestellt hat. Auch nach fünf Jahrzehnten bleibt der Qualitätsanspruch der gezeigten Grafik unverkennbar. Unverkennbar ist indes auch der Geist einer Zeit, die eben mal so fern ist, dass sie nicht wirklich alt, sondern nur ein wenig altmodisch wirkt. Die Werbung der 50er gab sich seriös bis staatstragend. Geiz als Volkstugend war noch nicht ausgerufen und Geilheit als Verkaufsmotor blieb dem einschlägigen Gewerbe vorbehalten. Stattdessen informierten - wie in Trier zu sehen - ein paar bunte abstrakte Klappkartons künstlerisch anspruchsvoll: "Faltschachteln helfen beim Verkauf". Man blieb auch sonst elegant. Mit zierlichem Strich setzten die Zeichner Damen mit Wespentaillen über wippenden Petticoats ins Bild. Man nippte an Kaltgetränken und die Herren trugen auch an der Bar noch Kopf. Die Schau am Paulusplatz belässt es allerdings nicht bei Schülerarbeiten. Wer hinter den erfolgreichen Schülern stand, zeigt ihre zweiter Teil. Oben im "Kabinett" sprich der Empore der schuleigenen Aula, hat Klaus Steinmann Arbeiten von sieben Professoren versammelt, die in jener Zeit an der damaligen Trierer Werkschule (seit 1959 Werkkunstschule) unterrichteten und auch selbst künstlerisch tätig waren. Der bekannteste aber auch schulisch kurzlebigste, ist der Maler und Grafiker Bruno Müller-Linow. Zeitloses Design

Bereits nach einem Jahr verließ der Liebermann-Schüler Trier wieder in Richtung Darmstadt. Sein spätes grimmiges Selbstporträt ist die eindrucksvollste Arbeit der Dozentenschau. Eine Reihe reizvoller Skizzen weisen Müller-Linow als Meister der Zeichnung aus. Hugo Ritters Kerzenleuchter verraten die Leidenschaft der Zeit für skandinavisches Design. Ausgesprochen feinsinnig wirken die Zeichnungen des Architekten Helmut Berger. Die schönen Landschaften seines Kollegen Erich Zschiesche verraten die klassische Ausbildung ihres Schöpfers. Zeitlos: Möbelzeichnung und Treppenmodell des Innenarchitekten Georg Hertlein. Hans Borkam - wie Ritter ein Schüler von Müller-Linow - fällt einmal mehr durch seine Drahtplastik auf. Für Klaus Steinmann ist der Drahtkörper der direkte Vorgänger heutiger digitaler "Wireframes". Bis 30. Juni zu den Öffnungszeiten der Schule am Paulusplatz in Trier.

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