Märchenstunde mit Tiefgang
Trier · Die Fernsehunterhalterin Hella von Sinnen hat 110 Besuchern in der Trierer Tuchfabrik einen Abend voll herzerwärmender Komik geboten. Unter dem Titel "Ich kann auch Andersen" las sie Märchen von Hans-Christian Andersen, umrahmt von Anekdoten aus ihrem Leben. Das war Kino für die Ohren, Training für die Lachmuskeln und Eintauchen in eine verblüffend moderne Märchenwelt.
Trier. Hella von Sinnen erobert ihr Publikum im Sturm, mit gewinnend frischem und schrägem Charme. "Hallo, ich bin\'s, euer Unesco-Welterbe" grüßt sie fröhlich, gemünzt auf Trier, "wo man Geschichte atmet, wenn man durch die Stadt latscht". Dabei glitzern ihre Augen um die Wette mit Strass und Goldkrönchen, die die Blockstreifen ihres Overalls in Bonbon-Pink und -Grün zieren.
Wie nun ausgerechnet "dat Helli", wie sie sich selbst nennt, zu Hans-Christian Andersen gefunden hat, erklärt sie, bevor noch jemand fragen kann. Anlässlich des 200. Geburtstags des Dichters 2005 sollte sie eine Doppel-CD mit seinen Werken einlesen. Dabei habe sie, die in Kinderjahren von düsteren Geschichten wie "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" erschüttert und abgeschreckt war, Andersen neu kennengelernt.
Tiefer Fall der Hochnäsigen
Fasziniert hätten sie Charme, Witz, Weisheit und Modernität seiner Märchen. Genau das transportiert sie dann mit Bravour in ihrer Lesung. Am Anfang steht "Die Prinzessin auf der Erbse", später folgen unbekanntere Märchen wie "Die Stopfnadel", "Die Teekanne", "Der Flachs", "Das Geldschwein" oder "Der Rosenelf". Einige teilen die Thematik, dass sich ihre Figuren für etwas Feines oder Besonderes halten, selbst wenn sie - wie meist - tief fallen.
Hella von Sinnen versteht es, das Geschriebene zum Leben zu erwecken. Unterstützt von lebhafter Mimik und Gestik, zeichnet sie mit ihrer Stimme unterschiedlichste Charaktere und Temperamente. Da flötet sie mit gespitztem Mund als eingebildete Stopfnadel oder gibt die Behäbigkeit einer alten Schnecke in gedehntem Kölsch wieder, bis das Publikum Tränen lacht. Auf diese Weise schält sie die pointierte, teils satirische und weise Sicht auf Mensch und Leben heraus, die Andersen in seinen Geschichten verschlüsselt hat. Sie ähnelt zuweilen der des Komikers Heinz Erhardt und ist ganz offensichtlich auch die Schnittstelle zu Hella von Sinnen.
Zwei Originale
Das wird deutlich in urkomischen Anekdoten, die sie aus ihrem Kölner Leben mit Ehefrau Cornelia Scheel erzählt. Immer stellt sie dabei augenzwinkernde Bezüge zu Andersens Leben her, ob es um die sexuelle Vorliebe fürs eigene Geschlecht oder den Hass auf miese Kritiken geht.
So werden die Zuschauer nicht nur bestens unterhalten, sondern lernen noch ganz nebenbei zwei Persönlichkeiten kennen, die ihre je ureigene Originalität zum Markenzeichen gemacht und Unterhaltung mit Humor und Tiefgang geschaffen haben. Chapeau, Frau von Sinnen! ae