Malerei und Mehrwertsteuer

MAINZ. Aller Anfang ist schwer. Dieses Sprichwort stand auch am Anfang eines Mainzer Modellprojektes, das Künstlerinnen den Start ins Berufsleben erleichtern soll.

Hier irrte Schiller: Nicht nur der Mann, auch die Kunstfrau muss hinaus ins feindliche Leben. Da steht sie dann als freie Künstlerin, frisch von der Akademie und voller Schaffensdrang, aber völlig überfordert, wenn das Finanzamt kommt, ein Katalog zu drucken oder eine Galerie zu suchen ist.Solchen Anfängerinnen-Nöten will jetzt das Land im Verein mit dem rheinland-pfälzischen Kulturbüro Koblenz abhelfen. Im Modellprojekt "Mentoring für Künstlerinnen" soll jungen weiblichen Kunstschaffenden zum Berufsstart jeweils eine erfahrene Kollegin mit Rat und Tat zur Seite gestellt werden.Nicht, dass Männer mit mehr Praxiskenntnis die Akademie verließen. Aber: "Künstlerinnen haben meist ein besonders großes Bedürfnis nach Beratung", weiß Erhard Witzel vom Landesverband der Galerien in Rheinland-Pfalz und Hessen. Der Wiesbadener Galerist hat als erster in Deutschland einen Lehrauftrag zum Thema "Der Künstler als Unternehmer" an der Uni Mainz. Bei Witzel lernen die künftigen Atelier-Inhaber die "Basics" der Kunstvermarktung: Wie stelle ich einen Katalog her oder wie berechne ich die Mehrwertsteuer?Freilich: Es geht nicht nur um besseres Rüstzeug beim Kampf auf dem knallharten Kunstmarkt. Die von einer Jury auszuwählenden Mentorinnen sollen neben der Informationsübermittlung auch eine Art Vorbildrolle übernehmen, sagt Edith Hens-Sperl vom Mainzer Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend. Für das Haus ist das mit bislang 7500 Euro geförderte Projekt, zu dem auch das Kulturministerium 4000 Euro beisteuerte, ein Baustein im landeseigenen Förderprogramm für Frauen. Schon die Mentoring-Börse 2003 in Mainz habe bei den Künstlerinnen des Landes großen Anklang gefunden, berichten Hens-Sperl und Stephan Bock vom Kulturbüro. Unproblematisch ist das Vorhaben, dem eine Berliner Mentoring-Maßnahme für junge Professorinnen als Vorbild dient, dennoch nicht. Ob sich die Hierarchien einer Hochschule mit dem Kunstbetrieb vergleichen lassen, bleibt fragwürdig. Schwierig dürfte sich auch die Auswahl der Mentorinnen gestalten. Etablierte Künstlerinnen, deren Namen ihrem Schützling die Türen öffnet, wünscht sich Verbandschef Witzel. Dass die Frage "Welche Künstlerin passt zu welcher Mentorin?" nicht leicht zu beantworten ist, weiß auch Bock: "Wenn wir im Frühjahr zwölf Paare haben, sind wir zufrieden."Ungesichert bleibt die künftige Finanzierung. Zwar werden die Mentorinnen ehrenamtlich arbeiten, zur Fortbildung sollen ihnen allerdings vom Kulturbüro Seminare zur Unternehmensführung angeboten werden. Mittel sind dafür noch nicht vorhanden. Stellt sich zudem die Frage: warum nicht gleich Seminare für die Künstlerinnen selbst oder Kunst-Consulterinnen als Mentorinnen? "Zu teuer", heißt es in Koblenz. Bedenken hat auch Ursula Bertram-Möbius. Die in Trier nicht unbekannte Künstlerin veranstaltet in Zusammenarbeit mit den Mainzer Ministerien ihrerseits Seminare zur freiberuflichen Tätigkeit von Künstlern. Nicht nur, dass nach Ansicht der Kunstprofessorin Lebensläufe von Künstlerinnen viel individueller verlaufen als eine übliche Hochschullaufbahn: "Im Einzelfall kann eine solche begleitende Beratung sogar zur künstlerischen Abhängigkeit führen."Praktische Hinweise dringend erwünscht

Selbst ist die Frau, denkt man auch beim rheinland-pfälzischen Berufsverband Bildender Künstler (BBK). "Eigene frauenfördernde Maßnahmen haben wir nicht", sagt Günter Meyer-Grönhoff. Ohnehin hätten Frauen enorm im Kunstbetrieb aufgeholt, meint der derzeitige zweite und langjährige erste Vorsitzende des BBK. "Heute gewinnen ebenso viele Frauen wie Männer Preise und Stipendien."Hin- und hergerissen ist Bildhauerin Britta Deutsch aus Trier. "Praktische Hinweise wie ,Woher bekomme ich Zuschüsse?‘ oder ,Wie organisiere ich Ausstellungen?‘ hätten mir schon zu Beginn meiner Berufspraxis geholfen. Aber so eine Dauerberatung kann auch ganz schön zur Klüngelwirtschaft führen."Künstlerinnen, die sich als Mentorin oder Mentee (Betreute) für das Projekt interessieren, erhalten Auskünfte beim Kulturbüro Rheinland-Pfalz, Mayr-Albert-Str. 11, 56070 Koblenz, Tel.: 0261-9821150, e-mail: info@kulturbuero-rlp.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort