Marionetten und Engel

NÜRBURGRING. (AF) Was von Rock am Ring 2006 hängen bleiben wird: Die Tops und Flops der 20. Auflage von Rock am Ring.

Ein Ufo für die "grüne Hölle", Sonntagabend, 22.21 Uhr: Der Nürburgring ist in blaues Licht getaucht, Nebel steigt auf, auf der Bühne blinken dazu allerlei spacige Requisiten in Rot. Depeche Mode erobern All und Eifel - eine der wichtigsten Bands der 80er ist zu Gast. Und eine der wenigen, die auch heute noch relevant sind. Neben aktuellen Stücken gibt es von den Engländern immer wieder Hits: "I feel you" etwa, "Behind the Wheels" oder das ergreifende "Enjoy the Silence". "Never let me down" folgt als Zugabe. "Playing the Angel" heißt die Tour - den Engel spielen. Vielleicht ist sie nicht überirdisch, die bunte Show mit allerlei Raumschiff-Zubehör auf der Bühne. Aber sie ist irdisch gut: dicht, atmosphärisch, richtig durchgemixt. So wie das gesamte Rock-am-Ring-Programm in diesem Jahr: 80 Bands, drei Tage, drei Bühnen. Das heißt: viel Auswahl und nur ganz wenige Enttäuschungen. Ist der Depeche-Mode-Auftritt der Höhepunkt des Ring-Wochenendes? Vielleicht hat sich auch Metallica diesen Titel erspielt. Der in jeder Hinsicht zu späte Guns N'Roses-Gig (um zwei Uhr nachts, mit einem alt gewordenen Axl Rose und viiielen Gitarren-Soli) kommt dafür zumindest kaum infrage. Fakt ist zumindest: Metallica schalten gegenüber dem Ring-Auftritt vor drei Jahren noch einen Gang hoch: härter, schneller, lauter - und älter. Der Auftakt der Europa-Tour wird dabei für die Fans zum echten Feiertag: Zum 20. Jahrestag von "Master of Puppets" (heißt etwa: Herr der Marionetten) holzt Metallica den Album-Klassiker komplett durch. Dazu gibt's - für Metallica ungewöhnlich - Videos zu den Stücken. Mit dem Mut zu alten Stücken steht Metallica ziemlich allein da: Viele Bands konzentrieren sich stark auf ihr aktuelles Album. Während Placebo noch die Kurve kriegen und trotz reichlich neuem Material vom Album "Meds" für gute Stimmung sorgen, erfüllt Morrissey nur zum Teil die hohen Erwartungen: Der frühere Sänger von The Smiths wird nach großartigem Beginn ("Panic", "First of the Gang to Die") zunehmend lustloser, spielt dann fast nur noch neue Stücke von "Ringleader of the Tormentors" - von denen die meisten aber keine Klassiker werden dürften. Und sonst? Franz Ferdinand und Kaiser Chiefs (mit einem auf der Menge surfenden Sänger) bringen den Brit-Rock wieder zurück. Daumen hoch! Härter wird es bei Tool, Korn oder den Deftones. Jamiroquai lässt vor der Alternastage die Körper zucken, während gleichzeitig vor der Hauptbühne Zehntausende in der Kälte auf Sänger Axl und seine diversen Neu-"Rosen" warten (Slash & Co. haben sich längst verabschiedet). Das neue Disco-Zelt (in dem unter anderem Mando Diao aufgelegt haben), hat sich bewährt. Und auch die dritte Bühne wird langsam zur echten Alternative. Dort liefern etwa Art Brut oder Kashmir tolle Auftritte. Dort tritt am Samstagmorgen gegen halb drei auch mit zehnstündiger Verspätung Sänger Pete Doherty mit den Babyshambles auf, vollgedröhnt bis zur Hutkrempe - Ex-Libertine, Ex-Freund von Kate Moss und leider vermutlich auch bald Ex-lebendig. Doherty war vor dem Eifel-Trip festgenommen worden, weil er sich im Flugzeug Methadon gespritzt haben soll. Hart mit Bart: Metallica-Sänger James Hetfield (oben) und Jonathan Davis (Korn).Fotos : dpa

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