Modern, aber nicht extrem

Am Samstag ertönt die Ouvertüre zu den elften Trierer Antikenfestspielen. Bei Verdis Oper "Nabucco" setzt Intendant Gerhard Weber auf die imposanten "Trash People" von Aktionskünstler HA Schult und Kräfte aus dem eigenen Haus. Nur für die Titelrolle hat er mit Mikolaj Zalasinski einen illustren Gast eingekauft.

 In ganz Europa als Nabucco gefragt: Mikolaj Zalasinski bei Proben im Amphitheater mit HA Schults „Trash People“. Foto: Bettina Müller

In ganz Europa als Nabucco gefragt: Mikolaj Zalasinski bei Proben im Amphitheater mit HA Schults „Trash People“. Foto: Bettina Müller

Trier. Auf den ersten Blick käme man schwerlich auf die Idee, Mikolaj Zalasinski für einen dramatischen Verdi-Bariton zu halten, der eine Helden-Partie wie den "Nabucco" auf die Bühne stellt. Kein sängerischer Kleiderschrank, eher ein filigraner Typ, in seiner körperlichen Erscheinung fast unauffällig, mit beredten Augen, die seine lebhaften Erzählungen spannungsreich illustrieren.

Warum er in ganz Europa in der sängerisch höchst schwierigen Rolle des dem Wahnsinn anheimfallenden Babylonier-Königs gefragt ist, wird allerdings deutlich, so bald er bei der Probe in der Arena ein paar Töne ansingt. Da steckt mächtig Kraft dahinter, zumindest unter dem akustischen Schutz des Hallendachs. Regisseur Gerhard Weber hat mit Absicht eine der großen Schlussproben hier angesetzt, damit man im Fall eines wetterbedingten Umzugs nicht zu sehr improvisieren muss.

Bei Regen diesmal keine klägliche Ersatz-Lösung

Zum ersten Mal in der Festspiel-Geschichte wird das Bühnenbild bei einer Verlegung im Wesentlichen dem im Amphitheater entsprechen. Die Rampen und Wege sind in der Arena bereits aufgebaut, HA Schults "Müll-Armee" wird im Fall des Falles per LKW in die Halle transportiert. Das Publikum muss sich also auch bei Regen nicht mit einer szenisch kläglichen Ersatz-Lösung zufrieden geben. Das verringert den Druck, wie im Vorjahr unter allen Umständen an einer Freiluft-Aufführung festhalten zu müssen.

Trotzdem würde Mikolaj Zalasinski den Auftritt unter dem Sternenhimmel bevorzugen. Mit Open-Air hat er reichlich Erfahrung, in Portugal, Spanien und seiner Heimat Polen sang er den Nabucco schon an der frischen Luft. Keine leichte Aufgabe. "Das Amphitheater hat um 18 Uhr eine ganz andere Akustik als um 21 Uhr", hat er beobachtet. Fünf Grad plus oder minus üben gleichfalls starken Einfluss aus, die Luftfeuchtigkeit nicht zu vergessen. "Man muss sich immer wieder ganz neu auf die Situation einstellen", sagt er, "aber genau das ist eine tolle Erfahrung".

Zalasinski gehört zu den Sängern, die sich Gedanken machen über das Stück, in dem sie mitwirken. Gerade "Nabucco", Verdis Frühwerk über Macht und Unterdrückung, Gefangenschaft und Befreiung, Verrat und Wahn, bietet ein enormes Spektrum für die Regisseure. Die einen inszenieren ein statisches Repräsentations-Spektakel mit auf- und abmarschierender Groß-Statisterie, die anderen dekonstruieren die Handlung bis zur Unkenntlichkeit und verlegen etwa den Gefangenenchor unter bayerische Schuhplattler, wie zuletzt Johann Kresnik in Saarbrücken.

Da wird man als Sänger vorsichtig. "Modern, aber nicht extrem", wünscht sich Zalasinski seine Aufführungen, und er lässt seinen Agenten schon mal vorsichtig anfragen, was ihn erwarten könnte. In Trier, meint er, stimme die Mischung. Keine Museums-Oper, aber auch keine Verzerrung. "Es geht vieles, solange die Sache Hand und Fuß hat", betont er, und Webers Interpretation sei "einfach, klar und schlüssig".

Es gehe bei Nabucco "um Versöhnung", sagt der Regisseur, der versucht, dieser "Schwarz-Weiß-Oper" differenzierte Züge abzugewinnen. Die entscheidende Frage ist, ob es ihm gelingt, zwischen dem antiken Ambiente, den modernen "Trash People" und der Handlung einen nachvollziehbaren Zusammenhang herzustellen. Viel Zeit gab es dafür nicht, die "Müllis", wie Weber fast liebevoll sagt, kamen erst drei Wochen vor der Premiere.

Seither hat er mit Zalasinski und den anderen Haupt-Akteuren Vera Wenkert, Eva-Maria Günschmann, Juri Zinovenko und Gor Arsenian nebst großen Chören und zahlreichen Komparsen intensiv an einem "Raum-Gefühl" inmitten der hundert Skulpturen gearbeitet.

Nabucco am 7., 12., 15., 22. und 25. Juni. 0651/7181818, www.antikenfestspiele. de

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