Musikalischer Vulkanausbruch

Ein Ausnahme-Hörerlebnis bescherte Jazzlegende Wolfgang Dauner seinem Publikum bei einem Konzert des Jazzclubs Trier in der Tufa. Allein am Flügel und strotzend vor Vitalität, Humor und Spielfreude sprengte er musikalische Grenzen und versorgte die Zuhörer mit explosiver Energie.

 Ein Genius des Jazz: Wolfgang Dauner. TV-Foto: Anke Emmerling

Ein Genius des Jazz: Wolfgang Dauner. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. (ae) Die Legende trägt einen langen grauen Zopf, einen schlabbrigen schwarzen Anzug und weiße Turnschuhe. Die ziehen den Blick auf rhythmische Fußbewegungen, mit denen Takte geklopft und die Pedale des Flügels bearbeitet werden. Das hat tatsächlich etwas mit Sport zu tun. Erst recht, wenn das Auge weiter zur Tastatur des Instruments schweift, über die in geradezu rasender Geschwindigkeit zwei Hände fliegen. Wolfgang Dauner ist ein Virtuose, einer, der mit seinem Instrument verwachsen scheint und sich von den Grenzen, die ihm die Maße der Tastatur setzen, nicht in seinem Spielrausch bremsen lässt. Grenzen sind zum Sprengen da

Er überwindet sie einfach, indem er zusätzlich die Saiten des Flügels mit Paukenschlegeln bearbeitet. Auch musikalisch lässt er keinen Hehl an seiner Überzeugung, dass Grenzen dazu da sind, sie zu sprengen. Da ist zum Beispiel das Problem der Jazzer mit der Trennung von E-(ernste Kunstmusik) und U-Musik (populär-kommerzielle Unterhaltungsmusik). Für ihn ist es keins, warum, macht er mit einer Beethoven-Satire klar: "Der setzt sich nach durchzechter Nacht ans Klavier und komponiert". Dauner spielt Hänschen Klein an. "Er verwirft und probiert es in Moll". Dauner spielt Hänschen Klein in Moll. "Er verwirft wieder und versucht's mit Rhythmus". Nun spielt Dauner das Anfangsmotiv der 5. Sinfonie. Genauso leicht mixt er im übrigen Programm Gershwin-, Eigenkompositionen und Jazzstandards, verbindet innerhalb seiner Stücke anspruchsvollen Jazz mit Klassikeinsprengseln, Weltmusikfragmenten oder eingängigen Ohrwurmthemen, Hauptsache gut. Dauners Witz zieht sich auch durch die Musik, die, obwohl nach mathematischem Kalkül strukturiert, Raum für rauschhafte, Kapriolen schlagende Improvisationen mit augenzwinkernder Clownerie lässt. Was den Bann dieser Musik ausmacht, lässt sich am besten am Stück mit dem treffenden Titel Trans-Tanz beschreiben: Als Zuhörer wird man beflügelt, emporgerissen in einen frei über allem schwebenden Raum und ist gleichzeitig mit dem tanzenwollenden Körper im sinnlichen Erleben des Hier und Jetzt. Die Reaktionen des etwa 150-köpfigen Publikums reichen von ergriffenem: "Wunderbar!"" bis zu tosendem Applaus.

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